Der 59-jährige Amerikaner Victor Sharrah lebt mit einer äusserst seltenen und angsteinflössenden Krankheit: Prosopometamorphopsie, kurz PMO. Betroffene sehen dabei Teile der Gesichter anderer Menschen in verzerrter Form, Textur, Farbe oder Position. Der Rest des Körpers ist von dieser Erscheinung jedoch ausgeschlossen. Gegenüber CNN erzählt er von seinem Leben mit der Krankheit: «Es ist, als würde man Dämonen anstarren.»
Sharrah fiel zum ersten Mal auf, dass etwas nicht stimmte, als er an einem normalen Tag fernsah und sein Mitbewohner und dessen Freundin hereinkamen – und er seinen Augen nicht traute. Die Gesichter der beiden hatten sich in Grimassen mit tiefen Narben und langgezogenen Augen verwandelt. Drehten sie sich zur Seite, sah er spitze Ohren. Sein Mitbewohner sagte ihm, er sei verrückt, als Sharrah zu erklären versuchte, was er sah. So rannte er nach draussen und merkte: Alle Gesichter waren grässlich verzogen.
Eine getönte Brille als Rettung
Als Kind wurde bei dem Amerikaner eine bipolare Störung diagnostiziert. Er diente im US Marine Corps, wobei er 1983 miterleben musste, wie seine Kaserne bombardiert wurde – er entwickelte daraufhin eine posttraumatische Belastungsstörung (PTSD). Geht etwas in seinem Leben schief, kämpft Sharrah oft mit Selbstmordgedanken – weswegen er auch Mitglied in einer Suizid-Selbsthilfegruppe auf Facebook ist.
Als er seine Symptome in der Gruppe teilte, wurde Catherine Morris aus Wyoming darauf aufmerksam. Sie hatte über 30 Jahre mit Sehbehinderten gearbeitet und vermutete, dass die Verzerrungen darauf beruhen könnten, wie Sharrah Lichtintensitäten und Farben wahrnimmt. In einem Online-Meeting der beiden zeigte sich: Während rotes Licht Panikattacken auslöste, sah er Menschen wieder normal, sobald grünes Licht an war.
Morris liess Sharrah daraufhin eine grün-getönte Brille zukommen, die die Verzerrungen verschwinden liess – gerade rechtzeitig, damit Sharrah seine neugeborenen Enkelinnen kennenlernen konnte – und dabei ihre Gesichter normal sah.
Nur 81 bekannte Fälle
Von PMO gibt es lediglich 81 bekannte Fälle, wobei die Symptome und das Ausmass der Verzerrungen für die Betroffenen jeweils unterschiedlich sind. Während einige nur die Hälfte eines Gesichtes verzogen oder missgeformt sehen, sehen andere zusätzliche Augen oder Ohren sowie Zähne ausserhalb des Mundes. Eine Frau sah anstelle von menschlichen Köpfen der eines Drachen – seit sie ein Kind war. Brad Duchaine, Professor für Psychologie und Gehirnwissenschaften am Dartmouth-College in Hanover, New Hampshire, sagt dazu: «Es gibt also Entwicklungsfälle von PMO, in denen Menschen mit diesem Zustand aufwachsen und nicht wissen, dass Gesichter anders aussehen sollten.»
Oftmals wird die Krankheit wegen fehlender Bildung und Repräsentation mit Schizophrenie oder ähnlichen psychischen Krankheiten verwechselt. Sharrah arbeitet nun mit einem Team am Dartmouth-College zusammen, um auf die Krankheit aufmerksam zu machen und diese besser zu verstehen. So will er anderen Betroffenen helfen: «Wie viele andere Menschen sind in Heimen untergebracht und werden mit Antipsychotika behandelt, obwohl sie nicht psychisch krank sind?» (zun)