Zur Sache! Neue Sachbücher
Das Magazin «Katapult» macht komplexe Themen anschaulich

Die überraschende Kartografie in diesem Buch katapultiert die Betrachter aus ihrem gewohnten Blickwinkel und lässt sie mit anderen Augen auf bestehende Probleme blicken – auf dass sie dadurch Lösungen sehen.
Publiziert: 23.05.2020 um 15:07 Uhr
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Aktualisiert: 23.05.2020 um 20:05 Uhr
ausgelesen von Dr. phil. Daniel Arnet

Schon in der Primarschule liebte ich Geografie. Ich kannte alle Schweizer Alpenpässe, wusste, welche Ortschaften sie miteinander verbinden. In der Freizeit zeichnete ich akribisch kleine Landkarten mit fiktiven Bergen, Gewässern und Orten, die ich dann mit Strassen und Eisenbahnlinien vernetzte – mein kleines Fantasiereich. Und logisch war die Karte sorgsam gefaltet wie eine von Kümmerly & Frey.

Der Landkarte haben sich auch die Macher von «Katapult» verschrieben, dem vierteljährlichen «Magazin für Kartografik und Sozialwissenschaft». Vor fünf Jahren im norddeutschen Greifswald gegründet, erscheint das Heft seit 2016 und erfreut sich wachsender Beliebtheit – lag die Startauflage damals bei 10’000 Exemplaren, so liegt sie heute nach Angaben der Redaktion bei 75’000. Ich gehöre natürlich zu den regelmässigen Käufern.

Das erfolgreiche Konzept: Mit kreativen Karten veranschaulicht Gründer und Chefredaktor Benjamin Fredrich (33) zusammen mit seiner Crew komplexe Themen von Ökonomie bis Ökologie und macht sie so einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. «Katapult» gilt denn auch als populärwissenschaftliches Magazin. Weil es aber mehr als ein Wegwerfprodukt ist und fast schon zum Atlas taugt, sind jetzt Auszüge als Buch beim renommierten Suhrkamp-Verlag erschienen.

«102 grüne Karten zur Rettung der Welt» heisst es und zeigt, «wie dramatisch der Zustand der Erde ist – aber auch, wie leicht es wäre, ihn zu verbessern». So sieht man auf einer Karte Deutschland und daneben den 4,5-mal so grossen Great Pacific Garbage Patch, eine leider nicht fiktive Müllinsel im Pazifik. Auf einer andern – sie ist auf dem unten abgebildeten Buchumschlag abgedruckt – ist zu sehen, wie relativ wenig Wald es bräuchte, um die Welt CO2-neutral zu machen: die Fläche des schwarzen Flecks.

An dieser Karte ist der erfrischend spielerische Charakter von «Katapult» zu erkennen, denn das schwarze Quadrat über China und Russland ist natürlich nur eine theoretische Grösse, weil die Aufforstung dezentral überall auf der Welt stattfinden müsste. Aber genau diese plakative Art der Darstellung wissenschaftlicher Daten macht die Karten zu echten Hinguckern.

Verblüffende Vergleiche versetzen einen in Erstaunen und entlocken nicht selten einen Lacher. So stehen weltweit 8 Milliarden aktive Mobiltelefone 3,5 Milliarden genutzten Zahnbürsten gegenüber. Oder haben Sie schon einmal einen Vergleich des CO2-Ausstosses durch den weltweiten Pornokonsum im Internet (80 Millionen Tonnen pro Jahr) mit den Emissionen einzelner Länder gesehen? Ein nutzloser Vergleich? Vielleicht, aber er macht deutlich, dass auch das Internet eine Dreckschleuder ist. Im Pornobereich eine grössere als die gesamte Schweiz zum Beispiel.

Katapult, «102 grüne Karten zur Rettung der Welt», Suhrkamp

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