Schandflecken der Schweizer Geschichte
Früher diskriminierten wir die Frauen, heute tolerieren wir Steuerhinterzieher

Im Rückblick Schandflecken der Geschichte auszumachen, ist einfach. Schwieriger ist es, die Schandflecken zu erkennen, mit denen sich die Geschichtsbücher der Zukunft beschäftigen werden. Mein Tipp: Das Schweizer Bankgeheimnis.
Publiziert: 27.01.2019 um 00:52 Uhr
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Aktualisiert: 28.05.2019 um 11:59 Uhr
Würde die Schweiz das Bankgeheimnis auch im Inland aufheben, würde noch deutlich mehr Schwarzgeld zum Vorschein kommen.
Foto: Keystone
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Fast auf den Tag genau 60 Jahre ist es her, seit die Schweizer Männer ein erstes Mal darüber entschieden, ob sie ihren Frauen das Stimm- und Wahlrecht erteilen wollen. Zwei Drittel sagten Nein an 
jenem 1. Februar 1959 – und die Schweizer Frauen mussten zwölf weitere Jahre warten, bis ihnen ihre Ehemänner, Väter, Brüder und Söhne dieses elementare Bürgerrecht einräumten. Im Kanton Appenzell Innerrhoden taten sie das überhaupt nie. Dort brauchte es ein Machtwort des Bundesgerichts, damit die Frauen zur Urne gelassen wurden – das war 1990.

Selbst die Generation meiner 
Eltern und Grosseltern, die das alles miterlebt haben, dürften heute den Kopf schütteln, wenn sie das lesen. Für meine Generation ist es schlicht unglaublich. Ein unglaublicher Schandfleck der Schweizer Geschichte. Fairerweise sei aber gesagt: Es ist immer einfach, im Rückblick Schandflecken auszumachen und mit dem Finger auf die verantwortliche Generation zu zeigen. Deutlich schwieriger ist es dagegen, die Schandflecken zu erkennen, mit denen sich die Historiker der Zukunft beschäftigen könnten. Mein Tipp: das Bankgeheimnis.

Recherchen von SonntagsBlick zeigen: Seit 2010 haben sich in der Schweiz 138'092 Steuersünder selbst angezeigt. Dadurch wurden mehr als 44 Milliarden Franken Schwarzgeld offengelegt und der öffentlichen Hand wurden mindestens 3,8 Milliarden Franken Nachsteuern in die Kassen gespült. Ausgelöst hat das Ganze die Angst vor dem automatischen Informationsaustausch mit dem Ausland. Es liegt auf der Hand: Würde die Schweiz das Bankgeheimnis auch im Inland aufheben, würde noch deutlich mehr Schwarzgeld zum Vorschein kommen.

Dass dies geschieht, ist aber unrealistisch. Die rechts-bürgerliche Parlamentsmehrheit will von 
einer Abschaffung nichts wissen. Seit Jahren warnen die Bankgeheimnis-Befürworter vor dem «gläsernen Bürger». Dabei ist es ein lächerliches Argument. Schliesslich kennt der Fiskus schon heute unsere Einkommens- und Vermögensverhältnisse – vorausgesetzt, wir geben sie vollständig und korrekt an ...

Kleiner Trost: Lächerliche Argumente sind in der Schweizer Politik nichts Neues. In der Diskussion um das Frauenstimmrecht warnten die Gegner teilweise ernsthaft davor, dass die Frauen durch den Einbezug in das schmutzige Geschäft der Politik ihre Weiblichkeit verlören. Unglaublich. 

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