Am Freitag kündigte Gesundheitsminister Alain Berset vorsichtig den Ausstieg an: Nachdem ein 140 Nanometer kleines Virus seit zwei Jahren mein Leben infizierte – meine Arbeit, meinen Alltag, meine Beziehungen –, mutiert die Pandemie in Richtung Endemie. Was für eine Freude! Insbesondere, da mich das Virus nicht nur als abstrakter Begriff infiziert hat: Es schlich sich in meinen Körper, durch Tröpfchen oder Aerosole, setzte sich in meinen Schleimhautzellen fest – und das ganze zwei Mal!
Seit Januar 2020 hat sich das Coronavirus verändert, es heisst nicht mehr Alpha oder Delta, sondern Omikron. Für mich war es bis vor kurzem dasselbe: eine grosse Belastung. Nicht schön zu wissen, dass man es in sich trägt. Als ich zum ersten Mal erkrankte, zählte ich die Tage in banger Aussicht, vielleicht doch noch mit Atemnot kämpfen zu müssen. Vor vier Wochen erschienen abermals zwei Striche auf dem Teststreifen.
Ich gehörte nie zu denen, die sich zu Hause verbarrikadierten. Wann immer möglich – und erlaubt –, traf ich mich in Bars mit Freunden, reiste ins Ausland, organisierte Abendessen in grosser Runde. Ich weigerte mich, auf das Leben zu verzichten, nannte dies stets meinen persönlichen Mittelweg. Aber ich bin geimpft – einmal, wie es das Bundesamt für Gesundheit für Genesene empfiehlt, der Booster war ursprünglich just am Tag meines zweiten positiven PCR-Tests geplant.
Was, wenn die Gedächtnislücken bleiben?
Für die Impfgegner in meinem Bekanntenkreis gelte ich seit meiner zweiten Erkrankung aber als Beweis dafür, dass die Impfung unnütz ist. Was für ein grober Irrtum! Dass Herr Berset nun beinahe schon das Ende der Pandemie ausrufen durfte, ist der hohen Immunität zu verdanken: Die Ausgangslage ist nicht zuletzt darum so gut, weil sich so viele unter uns haben impfen und boostern lassen. Und als ich isoliert zu Hause sass, war ich sehr froh, geimpft zu sein. Ohne Spritze hätte ich die Symptome wohl stärker gespürt.
In meinem Umfeld starb hingegen kürzlich eine ungeimpfte Person an Covid. Und wenn in der Redaktionssitzung die Rede ist von Long Covid, von möglichen Auswirkungen des Virus auf meine grauen Zellen, schaudert es mich. Was, wenn die Gedächtnislücken bleiben?
Die Impfung hilft gegen all dies wie ein Airbag: Sie funktioniert, aber nicht zu 100 Prozent. Sie senkt das Risiko eines Spitalaufenthalts, aber auch Geimpfte können sich anstecken und das Virus weitergeben. Die Immunisierung schützt, aber nur mit Auffrischungen. So kompliziert das klingt, das Fazit ist einfach: Die Impfung wird uns auf der Zielstrecke weiter begleiten.