Editorial
Der Klimastreik ist die beste Schule

Die Politik versucht den Bedürfnissen der Wirtschaft praktisch alles unterzuordnen. Für die Bildung trifft dies in besonderem Masse zu. Der Klimastreik ist darum auch eine Kampfansage ans heutige Bildungssystem.
Publiziert: 16.03.2019 um 23:59 Uhr
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Aktualisiert: 20.03.2019 um 07:07 Uhr
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Gieri CaveltyKolumnist SonntagsBlick

Das Departement von Bundesrat Guy Parmelin ist zuständig für Wirtschaft, Bildung und Forschung. Die Reihenfolge ist kein Zufall. Die Politik versucht, den Bedürfnissen der Wirtschaft praktisch alles unterzuordnen. Für die Bildung trifft dies in besonderem Masse zu.

Die FDP hält in einem Posi­tionspapier fest: «Der Dialog zwischen Wirtschaft und Schule muss intensiviert werden.»

Die CVP schreibt mit Blick auf die Hochschulen: «Die Abschlüsse müssen nach den Bedürfnissen der Wirtschaft ausgerichtet werden.»

Die SVP: «Das Bildungswesen hat sich an der Praxis der Arbeitswelt auszurichten.»

Und was unternehmen die Schüler? Sie tun etwas, was es ansonsten effektiv nur in der richtig harten Arbeitswelt gibt: Sie streiken.

Die Schüler legen ihre Arbeit nieder fürs Klima. Und das ist gut so. Sie machen uns darauf aufmerksam, dass der Menschheit der Schnauf ausgeht. Unsere Kinder und Kindeskinder drohen zu verdursten oder zu ertrinken. Sie sterben an Hitze. Oder sie erfrieren. Oder sie werden von Freak-Stürmen hinweggefegt.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Dass es mit der Welt so weit gekommen ist, hat viel damit zu tun, dass Politik und Wirtschaft die ­Prioritäten falsch gesetzt haben und nach wie vor setzen.

Es ist darum nur konsequent, wenn die Heranwachsenden ihre Sorge um die Zukunft in Form eines Streiks auf die Strasse tragen. Der ist eben auch eine Kampfansage an eine Bildungspolitik, welche sie am liebsten zu willfährigen Arbeitsbienen heranziehen will.

Natürlich braucht es die Wirtschaft! Sie legt die Grundlage für den Wohlstand einer Gesellschaft, für die Infrastruktur des Staates und die Sozialwerke. Die Unternehmen sind ein Schlüsselfaktor, um den Bewohnern unseres Landes ein Leben in Freiheit und Würde zu ermöglichen. Die Politik jedoch behandelt die Wirtschaft wie einen Wert an sich. Einen Wert wie gesagt, dem alles andere untergeordnet wird.

Man kann die Jugendlichen kinderleicht kritisieren. Sie düsen in der Welt herum, tragen Wegwerfklamotten und wollen immer das neuste Handy. Tatsächlich aber nehmen sie lediglich ein Angebot in Anspruch, das ihnen von der Erwachsenenwelt mit allen Mitteln der Verführungskunst aufgedrängt wird. Selbstverständlich muss sich ein kritisches Bewusstsein da erst entwickeln – auch was die eigenen Schwächen anbelangt.

Der Klimastreik könnte sich in dieser Hinsicht als wertvolle Lebensschule erweisen.

Eine solche Bewegung schafft, was jedes ordentliche Bildungssystem als oberstes Ziel verfolgen müsste.

Ein ordentliches Bildungssystem macht aus den Jugendlichen keine Arbeitsbienen. Es hilft ihnen vielmehr dabei, zu verantwortungsvollen Bürgern heranzuwachsen.

Zu Bürgern mit einer gesunden Zukunft in einer gesunden Welt.

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