Meine Sommerferien haben ja schon immer etwas leicht Schizophrenes: Seit Jahrzehnten gehören eine bis zwei Wochen Bündner Berge oder Tessin dazu – Alpwanderungen in Bündner Arvenwäldern oder in lichten Tessiner Kastanienhainen, baden in glasgrünen, eiskalten Flüssen oder im fast schon absurd türkis-farbenen Caumasee. Und sich ärgern, wenn man nicht nur im Winter auf der Skipiste, sondern auch im Sommer im kalten Bergwasser andere mit breitester Zürischnurre antrifft (die ich als waschechte Zürcherin ja auch habe). Das sind natürlich jedes Jahr mehr. Und jedes Jahr wird der Abwehrreflex grösser: Ich war zuerst da! Ich war schon da, da fandet ihr noch den Ballermann auf Malle das Nonplusultra. Kommt nicht hierher! Gönd weg! Haued ab! Meins!
Dieses Jahr hört man aber nicht nur Zürischnurren, sondern vermehrt ungewohnte Klänge: Französisch. Was machen die nur bei uns, den steifen und kalten «Suisses Toto», wie sie uns Deutschschweizer in Anlehnung an die deutschen Teutonen despektierlich nennen? Nun, sie scheuen wegen Covid-19 Einreisebeschränkungen und Quarantänebestimmungen und machen statt an ihren Lieblingsdestinationen dieses Jahr in der Schweiz Ferien.
Und sie lieben uns mit einer derartigen Begeisterung, dass es recht schwierig wird zu denken, sie sollen doch lieber bitte wieder abhauen. Deshalb: Bonjour les Welsches! In welchem Tessiner Fluss mit Regenbogen-Wasserfall ich gerade bade, schreibe ich trotzdem nicht. Das könnten ja Zürcher lesen.