Enttäuschen Sie uns, Mr. President! So kommentierte BLICK vor vier Jahren, als aus dem reichsten Rüpel der USA der mächtigste Mann der Welt wurde. Als wir noch hoffen durften, dass der nonkonformistische Egomane unsere schlimmsten Erwartungen nicht erfüllt, sobald er in Amt und Würden ist. Oder wir zumindest annehmen durften, dass die patriotischen Republikaner den potenziellen Brandstifter davon abhalten würden, mit der Nation zu zeuseln.
Doch die Hoffnung starb sofort. Am frischen Grab wurde sie verhöhnt als naives Wunschdenken. Der von sich Besessene hat die Brände tatsächlich gelegt, und seine Partei war nicht Feuerwehr, sondern reichte willfährig die Streichhölzer. Der mächtigste Rüpel der Welt hat jede Befürchtung übertroffen und jeglichen Anstand unterboten.
Donald Trump. Vier Jahre in Amt und Unwürden. Endlich vorbei.
Seit gestern ist Joe Biden der 46. US-Präsident. «Es ist ein neuer Tag in Amerika», begrüsste er das Land am Morgen. Eine simple Feststellung, einfache Worte. Natürlich weisen sie über sich hinaus, aber nicht so weit, dass sie das Blaue vom Himmel versprechen. Unaufgeregt, wohltuend, erfreulich. Für alle in und ausserhalb von Amerika.
Jobprofil eines Arztes
Nach dem Hoffnungsträger Obama, der mehr verheissen als verändert hat, und dem Hoffnungszertrampler Trump steht Biden weder für Vision noch für Vandalismus. Nichts am 78-jährigen Polit-Routinier verleitet zu übersteigerten Erwartungen oder Ängsten. Er wird tun, was getan werden muss, jedenfalls wird er sich darum bemühen. Den grössten Unfug seines Vorgängers rückgängig machen, die Corona-Krise endlich in den Griff bekommen, die Wirtschaft ankurbeln, die USA in der Welt verlässlich machen – und das Land wieder vereinen und «heilen», wie er immer wieder sagte.
Vom neuen US-Präsidenten erwartet man tatsächlich Ähnliches wie von einem Arzt. Dass er da ist, wenn man ihn braucht. Dass er sein Fach versteht. Dass er seine Arbeit gut macht. Dass er alles unternimmt, um Gutes zu bewirken. Nach bestem Wissen und Gewissen.
Für einen US-Präsidenten ist das nicht der spektakulärste Stellenbeschrieb. Aber nach dem Unheilsspektakel der letzten Jahre der passende. Gut möglich, dass Joe Biden für genau diesen Job die genau richtige Besetzung ist.
Wenn er diese Erwartungen erfüllt, übertrifft er alle Hoffnungen.