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Zur Sache! Neue Non-Fiction-Bücher
Das Fieber geht weiter

In der Hitze des Gefechts entwickelt sich Berlin vom Nabel der Welt zum Anus derselben. «Fieber» zeichnet diese unglaubliche Entwicklung anhand von neun Personen detailreich nach.
Publiziert: 29.02.2020 um 12:54 Uhr
Daniel Arnet, Redaktor SonntagsBlick Magazin.
Foto: Inge Jurt
ausgelesen von Dr. phil. Daniel Arnet

Haben Sie es gesehen, das Serien-Highlight der Saison? Also wir klebten zu Hause am Bildschirm und machten mit der dritten Staffel von «Babylon Berlin» eine Zeitreise in die deutsche Metropole des Jahres 1929. Eben hat Sky Show die zwölfte und letzte Episode um Kriminalkommissar Gereon Rath und Kriminalassistentin Charlotte Ritter gestreamt. Und nun heisst es, auf die vierte Staffel zu warten.

Perfekt in diese Pause passt «Fieber» des Berliner Literaturhistorikers Peter Walther (54). Sein neues Sachbuch mit dem Untertitel «Universum Berlin 1930–1933» schliesst quasi nahtlos an die dritte Staffel von «Babylon Berlin» an, die das Ende der Goldenen Zwanzigerjahre thematisiert. Wer aber meint, Walthers Werk sei ein trauriger Abgesang auf die deutsche Hauptstadt, sieht sich getäuscht. Denn die Party-City pulsiert bis zur Machtübernahme der Nazis im Jahr 1933.

«Berlin ist 1930 wahrlich nicht arm an Attraktionen», schreibt Walther. «Fast dreihunderttausend Touristen zählt die Stadt in diesem Jahr.» Amerikaner, Briten und Franzosen sind von der Theater- und Kunstszene sowie dem freizügigen Nachtleben angezogen: An der Lutherstrasse befindet sich mit dem Scala das grösste Revue-Theater des Landes, gleich gegenüber «Deutschlands erste Negerbar» und über die ganze Stadt verteilt über hundert Lokale für Schwule und Lesben.

Peter Walther, der 2017 eine preisgekrönte Biografie über den deutschen Schriftsteller Hans Fallada (1893–1947) mit dessen Bestseller «Kleiner Mann – was nun?» (1932) verfasste, porträtiert im ersten Teil von «Fieber» neun Personen. Protagonistinnen und Protagonisten im Berlin der beginnenden 1930er-Jahre, die Walther wie in einem Theaterstück im zweiten Teil immer mal wieder auftreten lässt.

Auftritt «der Sturkopf» – Ernst Thälmann, der deutsche Kommunistenführer. «Die Liebende» – Maud von Ossietzky, die Frau des KZ-Häftlings und Friedensnobelpreisträgers Carl von Ossietzky. «Der Strippenzieher» – Kurt von Schleicher, der letzte Reichskanzler vor Hitler. «Die Unverzagte» – Dorothy Thompson, die New Yorker Journalistin auf den Spuren des Führers.

«Über eine Stunde muss Dorothy Thompson am 24. November 1931 im obersten Foyer des Hotels Kaiserhof warten, bis sie Hitler in Begleitung seines Leibwächters auf dem Weg in seine Räume vorbeieilen sieht», schreibt Walther. «Seit acht Jahren hat sie versucht, ihm zu begegnen.» Drei schriftlich eingereichte Fragen werden ihr zugebilligt, doch ein richtiges Interview kommt nicht zustande: «Er redet fortwährend so, als spräche er auf einer Massenversammlung.»

1931: In diesem Jahr spielt der dritte Gereon-Rath-Fall «Goldstein», den die «Babylon Berlin»-Macher als Grundlage für die vierte Staffel nehmen. In «Fieber» kann man die historischen Fakten zu dieser Zeit schon mal vorweg in süffig erzählten Anekdoten lesen.

Peter Walther, «Fieber – Universum Berlin 1930–1933», Aufbau

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