Von «Frouezimmer» spricht man heute selten, aber Mani Matters Lied «D Psyche vo dr Frou» ist auch 46 Jahre später von zeitloser Gültigkeit. «Mängisch tü sie eim umarme / überchöme gar nid gnue / und scho füf Minute speter / chere si eim der Rügge zue.» Matter scheint ausreichend empirische Forschung betrieben zu haben, um zur Erkenntnis zu kommen, dass eindeutige Aussagen zum Wesen der Frau kaum möglich sind.
Ein Frauenzimmer hat mir erzählt, dass sie vor ein paar Tagen bei einer Schneewanderung auf dem Gemmipass mehrere Exemplare des Admirals hat fliegen sehen, dieses bekannten, wunderbar dunkelbraun-roten Falters. Auf fast 2300 Meter über Meer. Der Gemmipass bildet eine Nord-Süd-Verbindung zwischen Kandersteg BE und Leukerbad VS.
Reise zwischen den Generationen
Wie kommt das? Wenn es einer wissen muss, dann Marco Thoma. Der Zoologe schreibt derzeit eine Doktorarbeit an der Universität Bern über den Admiralzug, die Wanderbewegungen des Schmetterlings. Als ich ihn anrufe, lautet seine Antwort fast wie jene von Mani Matter: Es ist kompliziert.
Jeden Herbst wandern Millionen Admirale in den Süden, um vor der Kälte zu fliehen und sich im Winterquartier fortzupflanzen. Im Frühling sind es die Nachkommen des Wanderfalters, die zurück in den Norden aufbrechen. Generationenwanderung nennt sich das: Jede Generation unternimmt nur einen Teil der Reise. Dabei fliegen die Falter oft über dieselben Alpenpässe, wie Beobachtungen gezeigt haben. Manchmal sogar über hohe Gipfel, so wurde auf der Jungfrau ein Admiral in einer Höhe von 4000 m ü. M. entdeckt. Beeindruckend sind auch die Tagesleistungen einzelner Falter: in zwei Stunden bis zu 40 Kilometer.
Männern den Kopf verdreht
Handelt es sich bei den Gemmipass-Überquerern also um Jungtiere auf der Wanderung zurück in den Norden? Möglich, allerdings wäre dies etwas früh. Möglich auch, dass es sich um ältere Tiere handelt, die etwa in Italien überwintert haben. Oder sogar im Wallis – und durch das warme Wetter aktiv geworden sind. Jedenfalls hat sich die Grenze des Überwinterungsgebiets in den letzten Jahren massiv nach Norden verschoben.
So männlich der deutsche Name klingt, so weiblich übrigens der lateinische Name des Wanderfalters: Vanessa atalanta. Zweiteres bezieht sich auf Atalanta, eine Jägerin aus der griechischen Mythologie, die den Männern den Kopf verdrehte.
Simon Jäggi (39) ist Sänger der Rockband Kummerbuben, arbeitet im Naturhistorischen Museum Bern und hält Hühner.