Verbaler Missbrauch, wie Sie ihn beschreiben, ist leider etwas ganz Normales. Er wird jeden Tag millionenfach ausgeübt; im privaten, beruflichen und institutionellen Umfeld. Und wie bei jeder Form von zwischenmenschlicher Gewalt spielt auch hier das Gefälle eine begünstigende Rolle: Eltern machen ihre Kinder klein, Lehrer ihre Schüler, Firmeninhaber ihre Angestellten.
Und gerade weil verbaler Missbrauch so alltäglich ist, erkennen die Täter nicht, was sie damit anrichten, und ebenso wenig die Opfer, was bei ihnen angerichtet wird: Erstere stellen sich auf den Standpunkt, lediglich harmlose Witzchen zu machen, und Letztere reden sich ein, es sei bestimmt nicht so gemeint. Wehrt sich dennoch mal einer, gilt er sofort als überempfindlich – was nur die Fortsetzung der Erniedrigung ist, wird damit ja nicht nur seine Person, sondern auch sein Empfinden der Lächerlichkeit preisgegeben.
Sie fragen, was Sie gegen diesen bösartigen Unfug tun können. Die Antwort lautet: gar nichts. Wenn jemand einen geringen Selbstwert hat und diesen nur anheben kann, indem er andere herabsetzt, ist das ein schweres persönliches Defizit, um nicht zu sagen ein charakterliches Totalversagen.
Vermutlich waren auch Ihre Eltern Opfer von verbalem Missbrauch, aber es wäre ihre Aufgabe gewesen, dies beim eigenen Kind um jeden Preis zu vermeiden. Dass sie den Spott stattdessen replizieren, als Humor verkleiden und Ihnen damit einen Wahrnehmungsirrtum unterstellen, ist tragisch – und lässt Ihnen nur einen Ausweg: sich so weit zu distanzieren, dass es für Sie erträglich ist. Das kann sogar bedeuten, vorläufig gar nicht mehr mit diesen beiden Gestalten zu reden. Ein schlechtes Gewissen brauchen Sie nicht zu haben – der Fehler liegt eindeutig bei Ihren Eltern. Mit dem eigenen Kind geht man nicht so um. Pfui.