Thomas Meyer rät
Nichts, was Ihre Mutter ausmacht, ist Ihr Fehler

Meine Mutter ist ein schwieriger, respektloser Mensch. Eigentlich möchte ich (w, 52) nichts mit ihr zu tun haben. Allerdings hat sie niemanden ausser mir.
Publiziert: 11.02.2020 um 11:21 Uhr
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Autor Thomas Meyer nimmt Stellung zu Lebensfragen.
Foto: Thomas Meier
Thomas Meyer

Mit respektlosen Menschen, und davon gibt es leider viele, hat man in der Tat besser nichts zu tun. Die Nähe zu ihnen ist verletzend und hält einen klein. Und man kann ihnen noch so ausführlich erklären, weshalb ein netteres Verhalten angebracht wäre – es bringt nichts. Respektlose Menschen wissen nicht, was das Wort Respekt bedeutet, weil sie selber nie Respekt erlebt haben. Sie sind von klein auf respektlos behandelt worden und glauben, diese Art des Umgangs sei normal – und damit harmlos. Sie kennen keine verbale Grenze und halten jeden, der sie dafür kritisiert, für überempfindlich.

Wer mit ihnen befreundet ist oder gar zusammenlebt, sollte schleunig damit aufhören. Wer sie aber zur Mutter bzw. zum Vater hat, steht vor einem delikaten Problem. Denn ein Partner kann zwar leicht zum Ex-Partner werden, aber die Mutter bleibt die Mutter. Es stellt sich also die Frage nach dem erträglichen Mass.

Antworten Sie spontan: Wie oft möchten Sie Ihre Mutter sehen? Was auch immer Ihnen nun eingefallen ist – es entspricht dem, was Ihre Seele bereit ist zu erdulden. Und wenn es nur einmal pro Jahr ist, ist das so. Nun meldet sich aber, wie schon in Ihrer Fragestellung, sogleich das schlechte Gewissen: Aber es ist doch meine Mutter! Ich kann doch nicht so sein! Sie ist doch einsam!

Nun, das ist nicht Ihre Schuld. Nichts von dem, was Ihre Mutter ausmacht, damals wie heute, ist Ihr Fehler. In der Folge ist es auch nicht Ihre Aufgabe, irgendetwas daran zu ändern oder dafür geradezustehen. Ihre Aufgabe besteht vielmehr darin, sich zu fragen, was Ihnen guttut, nicht nur hier, sondern überhaupt, und konsequent danach zu handeln. Das kostet Mut und erzeugt Konflikte, gewiss, aber wenn andere einem keinen Respekt entgegenbringen, muss man ihn sich eben verschaffen.

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