Milena Moser
Krank sein ist ein teures Hobby

Über Geld redet man nicht. Weiss ich ja. Aber seien wir ehrlich, es beschäftigt uns alle. Geld macht vielleicht nicht glücklich, aber kein Geld zu haben, macht definitiv auch nicht glücklich. Wobei man nicht unbedingt arm sein muss, um Geldsorgen zu haben.
Publiziert: 29.02.2020 um 11:29 Uhr
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Aktualisiert: 25.03.2020 um 10:49 Uhr
Die Schriftstellerin Milena Moser schreibt im SonntagsBlick Magazin über das Leben. Sie ist die Autorin mehrerer Bestseller. Ihr neustes Buch heisst «Das schöne Leben der Toten».
Foto: David Butow 2019
Milena Moser

Einer der wohlhabendsten Menschen, die ich kenne, kann von nichts anderem reden als von seinen eingebildeten oder vorausgenommen finanziellen Engpässen. Umgekehrt ist meine mausarme Freundin Doris eine der gelassensten Personen, die ich kenne, und ein Vorbild im Umgang mit alltäglichen Anfechtungen.

Ich selber hatte immer einen recht sorglosen Umgang mit Geld. Das sieht man daran, dass meine Söhne neulich gemeinsam die Frage diskutierten, ob sie sich nicht frühzeitig um eine Altersvorsorge bemühen sollten, «damit es uns mal nicht so ergeht wie Mama» (die sich um so etwas nie gekümmert hat).

Aber es ist nun mal so: Krank sein ist ein teures Hobby. Das muss man sich auch erst einmal leisten können. Sorry, schlechter Scherz. Ich wollte nur erklären, warum ich nun auch manchmal nachts wach liege und statt Schäfchen unbezahlte Rechnungen zähle. Leider ist es aber wissenschaftlich erwiesen, dass dieses Wachliegen keine Auswirkung auf den Kontostand hat. Das gilt übrigens auch für andere Lebensbereiche. Sich Sorgen zu machen, bewirkt rein gar nichts. Und doch können wir es einfach nicht lassen.

Zum Glück steht einem in schlaflosen Nächten auch das Internet zur Seite, das auf den Suchbegriff «Geldsorgen» die schöne Antwort «Happy Money» ausspuckt. Ein simples Konzept, das darauf beruht, dass man den Begriff «Geld» mit einem inneren Glücksgefühl verbinden muss. Und das erreicht man nur, indem man es verschenkt.

Das leuchtete mir sofort ein. Ich hatte immer das Gefühl, dass Geld eine Seele hat, oder wenigstens eine Persönlichkeit. Geld amüsiert sich gern, es will sich bewegen und nicht auf einem Konto verstauben. Auch wenn es sich da vermehren oder wenigstens sicher fühlen könnte. «Aber wozu?», fragt das Geld im weinerlichen Ton eines dreijährigen Kindes. Wenn man es hingegen grosszügig ziehen lässt, kommt es immer wieder gerne zurück. Mit dieser Einstellung bin ich bisher ganz gut durchgekommen.

Doch je älter ich werde, desto mehr Verbindlichkeit erwarte ich. Nicht nur von meinen Freunden, sondern auch vom Geld. «Kannst du nicht mal ein bisschen länger bleiben?», frage ich. Der weinerliche Klang meiner Stimme würde mich selber in die Flucht schlagen. So geht das nicht. Ich muss wieder mehr Leichtigkeit in unsere Beziehung bringen.

So falte ich jetzt also jeden Montag eine Zwanzigernote zusammen, klebe einen Post-it-Zettel darauf, auf den ich «Das ist dein Happy Money, geniess es!» geschrieben habe. Manchmal zeichne ich sogar ein Smiley Face darunter. Und deponiere das Geld irgendwo, im demolierten Buswartehäuschen oder im Supermarkt bei den Bauchwehtropfen für Kleinkinder. Ich stelle mir vor, wie es gefunden wird: von einer überforderten Mutter mit zwei kranken Kindern, von einem erschöpften Tellerwäscher auf dem Weg zur nächsten Schicht. Diese Vorstellung erfüllt mich mit einem tiefen Glücksgefühl.

Mehr Geld hab ich deswegen nicht, aber definitiv weniger Sorgen.

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