Es sind die inneren Werte, welche die Colorado-Kröte anziehend machen, denn eine Schönheit ist sie beileibe nicht. Eher beleibt. Die wuchtige Amphibie wird bis zu einem halben Kilo schwer. Sie kommt in Mexiko und den USA vor. Dort bevölkert sie etwa Wasserlöcher in Wüsten und lässt Temperaturen bis 40 Grad Celsius über sich ergehen. In der Schweiz ist sie unter anderem im Zoo Zürich und im Berner Dählhölzli zu bestaunen.
Zwei Merkmale, die sie besonders machen, sind auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Da sind zum einen die Giftdrüsen. Das Gift schützt die Kröte vor Pilzen und Bakterien – aber auch vor Fressfeinden. Gut erkennbar sind die Drüsen am Nacken. Das Gift löst Reizungen an Haut und Schleimhäuten aus – und kann für kleinere Tiere sogar tödlich sein. Mit dem giftigen Sekret wehrt sich die Kröte erfolgreich gegen Schlangen oder Adler.
Psychedelische Wirkung
Und wie wirkt das Gift beim Menschen? Fährt offenbar gut ein. Es geistert ein eigentlicher Mythos um die Colorado-Kröte. Für die etwas gewöhnungsbedürftige Prozedur drückt man einer Kröte in den Nacken, wobei aus den Giftdrüsen hinter den Augen das milchige Sekret quillt, das psychedelische Wirkung entfaltet. So soll es Liebhaber geben, welche die Droge frisch von der Kröte lecken. In einschlägigen Foren wird aber vom Lecken abgeraten. Die berauschenden Wirkstoffe würden bei oraler Einnahme sehr rasch vom Körper abgebaut – zurück blieben bloss andere Giftstoffe.
Aus diesem Grund hat sich eine zweite Methode entwickelt: Die Kröten werden abgemolken. Das Sekret wird gesammelt, getrocknet – und geraucht. Wie oft eine Kröte gemolken werden kann, darüber kursieren verschiedenen Angaben: Manche behaupten täglich, andere monatlich. In den USA und auch in der Schweiz ist es übrigens verboten, sich an Colorado-Kröten zu berauschen.
Gestern Prinz, morgen Prinzessin
Viel weniger bekannt ist aber ein zweites Phänomen, das Bufo alvarius mit anderen Kröten teilt: das Biddersche Organ. Jedes Männchen trägt einen rudimentären Eierstock in sich. In Experimenten wurden die Hoden entfernt – danach wuchsen funktionstüchtige Eierstöcke heran. Aus dieser Kröte wird also unter Umständen eine Prinzessin statt ein Prinz. Nur: Mit dem Küssen sollte man bei der Colorado-Kröte etwas vorsichtig sein.
Simon Jäggi (39) ist Sänger der Rockband Kummerbuben, arbeitet im Naturhistorischen Museum Bern und hält Hühner. Er schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK.