Kolumne «Weltanschauung»
Wer hat Angst vor Netflix?

Die Eidgenössische Medienkommission will Schweizer TV-Unterhaltung schützen, indem Streaming-Plattformen wie Netflix, Apple oder Amazon Prime reguliert werden. Als Zuschauer sieht man das ganz anders.
Publiziert: 03.02.2020 um 11:32 Uhr
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Giuseppe Gracia, Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur.
Foto: Thomas Buchwalder
Giuseppe Gracia

Die Eidgenössische Medienkommission (Emek) fordert von der Politik, Streaming-Plattformen wie Netflix, Apple oder Amazon Prime zu regulieren, damit die Schweizer TV-Unterhaltung davon nicht verdrängt wird. Emek-Mitglied Manuel Puppis: «Das Einzige, womit sich Schweizer Sender beim Publikum profilieren können, sind Eigenproduktionen.»

Wohlgemerkt: Es geht nicht um den Schutz von Schweizer Journalismus, sondern um Unterhaltung. In diesem Bereich begeistern Anbieter wie Netflix auch in unserem Land Millionen. Allerdings nicht, weil sich uns amerikanische Konzerne aufzwingen und die wehrlose Schweizer Unterhaltung verdrängen. Amerikanische Serien und Filme sind einfach besser, spannender, kreativer. Sie verströmen nicht den biederen Lehrerzimmer-Geruch des pädagogisch Wertvollen, politisch Erwünschten, wie es hierzulande viele Produktionen tun.

Artenschutz fürs Einheimische

Will die Medienkommission an diesem Punkt ansetzen? Will sie versuchen, die Schweizer Unterhaltung besser und gewagter zu machen, erfolgreicher? Nein, man will vor allem sicherstellen, dass weiterhin genug produziert werden kann. Es geht nicht um die Vorlieben der Zuschauerinnen und Zuschauer, sondern nur um staatlichen Artenschutz für einheimische Produzenten, durch Gesetzeshürden für die ausländische Konkurrenz.

Das Unterhaltungsangebot soll so reguliert werden, dass das Einheimische vorne im Regal steht und es die Ausländer aus dem Hause Netflix oder Amazon schwer haben, bei uns zu punkten. Das ist die Absicht. Dass man jedoch so vorgehen will, bedeutet: So wie das klassische Erziehungsfernsehen à la DDR nur unter Ausschluss besserer Alternativen den Leuten aufgenötigt werden konnte, so hat auch in der Schweiz ein politisch erwünschtes Film -und Fernsehschaffen nur dann eine Chance, wenn man die Konkurrenz gesetzlich benachteiligt. Auf einem freien Markt mit freien Konsumenten funktioniert das nicht. Niemand fährt einen Trabi, wenn er Audi oder BMW fahren kann.

Vorbei am Publikum

Wer hat also Angst vor Netflix? Wohl alle Unterhaltungsproduzenten, die das digitale Zeitalter verschlafen haben und jetzt nach dem Staat rufen, um ihre Pfründe zu retten. Alle, die weiter an den Menschen vorbeiproduzieren wollen. Vorbei an uns, dem Publikum. Aber zum Glück gibt es ja das Internet. So können wir weiterhin frei entscheiden, welche Filme und Serien wir sehen wollen, wann wir sie sehen wollen und auf welchem Endgerät.

Giuseppe Gracia (52) ist Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. In seiner BLICK-Kolumne, die jeden zweiten Montag erscheint, äussert er persönliche Ansichten.

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