Kolumne «Geschichte» von Claude Cueni
Champagner und clevere Witwen

Die Herstellung von Champagner war lange mit Todesgefahren verbunden. Erst ein Mönch konnte das Problem entschärfen. Den kommerziellen Durchbruch verdankt der prickelnde Wein aber zwei findigen Witwen, wie der Schriftsteller Claude Cueni schreibt.
Publiziert: 10.01.2019 um 22:31 Uhr
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Aktualisiert: 21.01.2019 um 11:49 Uhr
Schriftsteller und BLICK-Kolumnist Claude Cueni.
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Claude CueniSchriftsteller

Die erste Champagner-Flasche explodierte wie eine Bombe. Das dünne Glas hielt dem Druck, der beim zweiten Gärungsprozess stattfindet, nicht stand. Im 17. Jahrhundert schützten sich Kellermeister deshalb vorsorglich mit einer schweren Eisenmaske. Es war ausgerechnet einer jener Männer, die am liebsten Wasser predigen, der auf die Idee kam, dickeres Glas herzustellen. Pierre Pérignon, ein französischer Mönch, hatte das Verfahren der Flaschengärung weiterentwickelt und dickwandige Glasflaschen mit verschnürbaren Korken in Auftrag gegeben. Als er 1715 starb, hinterliess er ein umfangreiches Schriftwerk, aber sein prickelnder Schaumwein blieb ziemlich trüb.

Es war schliesslich die 27-jährige Witwe Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin, die ein Verfahren erfand, um die Heferückstände zu beseitigen. Nach dem plötzlichen Tod ihres Ehegatten musste sie eine Weinhandlung übernehmen, die jährlich hunderttausend Flaschen Champagner produzierte. Doch die Witwe Clicquot gab dem edlen Tropfen nicht nur ihren Namen, «Veuve (Witwe) Clicquot», sie prägte als erste Frau an der Spitze eines Champagnerhauses auch den Mythos des «savoir vivre» und präsentierte ihren Champagner selbstbewusst an allen Höfen Europas. Die resolute Unternehmerin setzte sich in der Männerwelt durch, kaufte Weinberge hinzu und gründete eine Bank. Und das in einer Zeit, in der Frauen nicht einmal ein eigenes Bankkonto eröffnen durften. Als sie 1866 starb, produzierte ihre Firma bereits 750'000 Flaschen im Jahr.

Nur gerade acht Jahre später sorgte eine weitere Französin mit dem prickelnden Traubensaft für Furore. Louise Pommery war 41, als auch sie ihren Ehemann verlor. Sie überwand die Trauer und produzierte den ersten Champagner «Brut».

Heute werden jährlich etwa 390 Millionen Flaschen Champagner produziert, aber den Namen «Champagner» dürfen nur jene tragen, die ihre Rebwurzeln auch tatsächlich in der französischen Champagne haben. Jede zweite Flasche trinken die Franzosen gleich selbst, ein Grossteil geht nach England und in die USA und fast eine Million an ein Land, das Alkohol verbietet und verurteilte Frauen hinrichtet: die Vereinigten Arabischen Emirate.

Claude Cueni (62) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Soeben ist sein neuer Roman «Warten auf Hergé» erschienen. Cueni schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK.

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