Kolumne «Der Alte»
Politische Tour de Suisse

Vielfalt in der Einheit – so ist nicht nur die Schweiz, sondern etwa auch die SP. Als Parteipräsident lernte Kolumnist Helmut Hubacher alle Facetten kennen. Das dauerte manchmal bis 5 Uhr morgens.
Publiziert: 30.07.2019 um 23:24 Uhr
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Aktualisiert: 01.08.2019 um 13:51 Uhr
Helmut Hubacher

Ein Botschafter aus Schweden kannte nach sechs Jahren Dienst in Bern die Schweiz wohl besser als ich. Wann immer möglich war er über das Wochenende unterwegs. Ein so kleines und so vielfältiges Land sei einmalig, gestand er mir beim Abschiedsessen.

Diese Vielfalt in der Einheit gilt auch für eine Partei wie die SP. Die ich erst als deren Präsident kennenlernte. Zuerst mal bei den Antrittsbesuchen der Kantonalparteien.

Das Wasser muss warten

Im Juli gastierte ich bei der Walliser SP in Martigny. An der Theke bestellte ich Mineralwasser als Durstlöscher. Da meldete sich der Präsident: «Du bist hier im Wallis, nicht in Basel. Als neuer Parteiboss wirst du beobachtet. Und musst jetzt zuerst ein Glas Fendant trinken. Das erwarten wir als Respekt vor unserem Kulturgut, vor unseren wunderbaren Rebbergen. Nachher meinetwegen halt ein Wasser», meinte er leicht mitleidig grinsend.

Die Waadtländer SP tagte an einem Samstagnachmittag. Der Parteitag näherte sich gegen 18 Uhr dem Ende zu. Ich konsultierte den Fahrplan. Nein, winkte der Präsident ab. Wir seien von der Stadt Lausanne zum Nachtessen eingeladen. Nachher wechselten wir in einen Weinkeller. Sie hatten mir ein Hotel bestellt. Um vier Uhr fiel ich ins Bett. Die lieben Genossen waren aufmerksam. Pyjama und Zahnbürste lagen parat.

Die Roten sind die Blauen

Szenenwechsel. Im Volkshaussaal in La Chaux-de-Fonds hingen blaue Fahnen und Plakate. Auf den Tischen lagen blaue Flyer. Da ich stets früh anreise, war noch kein Mensch da. Später erfuhr ich, im Kanton Neuenburg war die SP die Parti bleu. Les Radicaux, die Freisinnigen, waren die Roten.

Der Parteitag verlief routiniert. Votiert wurde im schönsten Neuenburger Französisch. Sachlich, ohne rhetorischen Pfeffer. Nach dem präsidialen Schlusswort leerte sich der Saal im Minutentakt. Nach einer Viertelstunde stand ich am Bahnhof.

Fiesta bis in die Morgenstunden

Italienisch ist eine musikalische Sprache. Die Tessiner Delegierten genossen sie in Locarno. Der Präsident schloss mit einem rhetorischen Feuerwerk. Dann folgte die Fiesta. Mit Nachtessen, Musik, Tanz. Bis um fünf Uhr.

Auf dem Helvetiaplatz in Zürich rief der Strassenwischer: «Hubacher, haben sie wieder Krach? Musst du schlichten?» So war es. Wäre da nicht Emilie Lieberherr gewesen, Stadt- und dann auch Ständerätin: «Du hast hier nichts verloren. Das isch öise Krach.»

Helmut Hubacher (93) war von 1975 bis 1990 Präsident der SP Schweiz. Er schreibt jeden zweiten Mittwoch im BLICK.

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