«Wenn ich meine Wohnung in Tel Aviv verlasse, weiss ich nie, ob das Haus noch steht, wenn ich zurückkomme. Eine Rakete genügt, um alles zu zerstören.»
Das erzählt die israelische Schriftstellerin Lizzie Doron (67) im Gespräch mit «Die Zeit» über ihr Zuhause und ihren Aufenthalt in der Schweiz. Sie hat an der Universität in Bern eine Gastprofessur absolviert.
Es ist für uns hochinteressant zu erfahren, wie diese Frau die Schweiz erlebt hat. Der grösste Unterschied zum israelischen Alltag sei die «totale Sicherheit» in der Schweiz. Sie habe die angenehme Entdeckung gemacht, «wie die Angst weggeht, wenn ich früh morgens in Bern unterwegs bin».
Alles still, sogar die Studenten
Lizzie Doron gibt zu, sich beim Geräuschpegel in Tel Aviv absolut wohlzufühlen. Sie mag die Stille nicht. Das sei Friedhof, «und da ist es mit allem vorbei, für mich eine Katastrophe».
Ob ihr denn die Schweiz laut genug sei, ist sie gefragt worden. «Nein, sogar meine Studenten sind still.» Alles sei sehr angenehm, korrekt, geordnet, perfekt fast. «Ich habe den Eindruck, hier eine ganz andere Welt zu besuchen.»
Israel feierte 2018 das 70-Jahre-Jubiläum der Staatsgründung. Ägypten und Jordanien pflegen mit dem Judenstaat diplomatische Beziehungen. Alle anderen Nachbarstaaten nicht. Für sie ist Israel der Feind Nummer eins. Für die Hamas in Palästina hat Israel kein Existenzrecht. Der frühere Ministerpräsident Yitzhak Rabin zog den Vergleich: «Wenn wir die Waffen niederlegen, gibt es Israel nicht mehr. Wenn das unsere Gegner tun, gibt es Frieden.» Lizzie Doron sagt: «Deshalb ist bei uns das Gefühl der Angst gegenwärtig.»
Keine schrägen Vögel
Sie ist gefragt worden, ob sie in der Schweiz leben möchte. Ihre Antwort überrascht eigentlich schon nicht mehr. Für ihre Kinder wünsche sie sich das. «Um kreativ zu bleiben, wäre es nichts für mich.» Alle seien bemüht, «alles korrekt zu machen. Keiner ist ein bisschen verrückt, ein schräger Vogel».
Mit anderen Worten: Die Schweiz wäre ihr zu langweilig. Gefahr ist ihr Leben.
Helmut Hubacher (93) war von 1975 bis 1990 Präsident der SP Schweiz. Er schreibt jeden zweiten Mittwoch im BLICK.