Kolumne «Der Alte»
Bauernlobby im Abseits

Die Landwirtschaft muss sich von Pestiziden verabschieden. Doch Bauernlobby und Bürgerliche sperren sich. Kommt es nicht zum Kompromiss, wird die Trinkwasser-Initiative angenommen.
Publiziert: 03.07.2019 um 00:18 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
Helmut Hubacher, Ex-SP-Schweiz-Chef.
Foto: Thomas Buchwalder
Helmut Hubacher

Als ich das vernahm, hirnte es in mir: Sind die nicht mehr ganz dicht? Ärgern tut mich ein Entscheid im Nationalrat am Schluss der Sommersession. SVP, CVP und FDP haben in einem Anlauf die Trinkwasser- und die Pestizidverbots-Initiative versenkt.

Bauern spritzen zu viele Pestizide. Diese toxischen Pflanzenschutzmittel bedrohen mit ihrem Gift Gewässer und Grundwasser. 80 Prozent des Trinkwassers werden aus dem Grundwasser gewonnen. Kommunale Wasserversorger schlagen Alarm. Es werde zunehmend schwieriger, genügend Trinkwasser zu haben. Das sind im helvetischen Wasserschloss in Europa neue Töne. Hören Bauern mit dieser Spritzerei nicht auf, fordern die Initianten drastische Strafen. Sie sollen vom Bund keine Direktzahlungen mehr bekommen. Im Schnitt sind das pro Bauernbetrieb 50'000 Franken jährlich. In Dänemark ist das Praxis.

Trinkwasser hat Priorität

Die Bauernlobby ist im Bundeshaus geradezu berüchtigt erfolgreich. CVP-Nationalrat Markus Ritter ist Präsident, sein FDP-Kollege Jacques Bourgeois Direktor des Schweizerischen Bauernverbandes. Den beiden ist es gelungen, ihre Fraktionen auf ihre Linie einzuspuren. Zusammen mit der SVP reichte das für die Mehrheit im Rat.

Ohne Pestizide erleide die Landwirtschaft 40 Prozent Ernteausfälle, so Ritter. Das ist ein Problem. Dennoch, sie muss sich von Pestiziden verabschieden. Sauberes Trinkwasser hat absolute Priorität. Da haben schon ganz andere Branchen ihre Giftspritzen ausgewechselt.

Bauern auf dem hohen Ross

Da die Initianten diese Umstellung auf einen «Chlapf» verlangen, wären SP und Grüne zu einer Übergangslösung bereit gewesen. Mit einem moderater formulierten Gegenvorschlag. Sozusagen als ersten Schritt. Ritter macht nicht einmal diese Konzession. Pestizidabbau lässt er sich nicht vom Staat vorschreiben. Wenn schon, dann freiwillig, verkündet er vom hohen Ross herab. Bauern wüssten, was zu tun sei, behauptet er. Eben nicht. Sonst hätten wir keine Probleme. Mit Trinkwasser wird nicht spekuliert. Wir können nicht warten, bis der Letzte begreift, was es geschlagen hat.

Bleibt der Bauernboss unvernünftig, wird Rot-Grün für die Trinkwasser-Initiative stimmen. Und wird gewinnen. Aber sicher.

Helmut Hubacher (93) war von 1975 bis 1990 Präsident der SP Schweiz. Er schreibt jeden zweiten Mittwoch im BLICK.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?