Kolumne «Alles wird gut»
Sommergefühle

Dürfen Männer Frauen anglotzen? Ihnen gar nachpfeifen? Und wie sollen Frauen darauf reagieren? Brennende Fragen in diesen heissen Zeiten.
Publiziert: 30.06.2019 um 23:29 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:04 Uhr
Ursula von Arx, Journalistin und Buchautorin.
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Ursula von ArxJournalistin und Buchautorin

Die Frauen. Sie schmieren sich morgens Farbe ins Gesicht, um sie abends zeitaufwendig wieder zu entfernen. Sie lassen sich ohne Not die Lippen aufspritzen und laufen in Radlerhosen und Netzkleidern umher, wenn ihnen jemand sagt, das sei jetzt angesagt. Ihre Liebe zum Detail ist beeindruckend: Stundenlang können sie sich überlegen, ob sie besser die Strümpfe mit oder die ohne Paisleymuster anziehen oder gar keine. Sie kaufen tonnenweise teure Cremes, die ihnen eine strahlendere Haut versprechen. Das Aufmotzen von Körperteilen scheint ihre Leidenschaft zu sein. 

Selbstliebe oder Gefallsucht?

Aber warum? Warum beobachten und belauern, kontrollieren und korrigieren Frauen sich lebenslang? Ist es eine Art Blasphemie? Der grössenwahnsinnige Glaube, die göttliche Schöpfung optimieren zu müssen? Oder ist es im Gegenteil das Gefühl, nie zu genügen? Ist es Selbstliebe? Oder Gefallsucht? Die Erziehung, die auch die Klügsten eines Tages dazu bringt zu begreifen, dass es ins Pflichtenheft eines Mädchens gehört zu gefallen? Ist es nicht so, dass Frauen irritiert sind, wenn sie einen Raum betreten und er ist keine Bühne? Fühlen sie sich nicht unsichtbar, wenn sie an einer Baustelle vorbeikommen und das bestätigende Pfeifen der Bauarbeiter bleibt aus? Wirklich? Glauben Sie das?

Es ist ja jetzt Sommer. Die Sonne brennt. Die meisten würden gerne möglichst viele Hüllen fallen lassen. Da werden diese Fragen noch akuter als sonst.

Frauen, schaut zurück!

Also, liebe Männer, warum wir Frauen uns schön machen, bleibt ein Geheimnis. Aber wenn Sie glotzen, dann bitte so, dass Sie Ihre Würde dabei nicht verlieren. Ja, Sie selber. Dann bleibt nämlich auch die Würde der Frauen intakt. Wie das geht, müssen Sie spüren. Es ist eine Frage des Takts. Manchmal dürfen Sie pfeifen. Manchmal ist ein kurzes Schweifen des Blicks schon zu viel.

Und was können Frauen tun? Ganz einfach: ebenfalls glotzen. Sehen Sie den Mann dort? Erinnert seine Haartracht nicht an einen Ölteppich? Und hat er nicht das Selbstbewusstsein eines prämierten Dackels? Eben. Schauen wir den anderen an. Nehmen wir ihn wahr. Mit einem freundlichen, genauen, scharfen Blick. Hilft gegen Gefallsucht (Ablenkung vom eigenen Selbst), Minderwertigkeitskomplexe (Sie entdecken: Andere sind auch nur Menschen), verfestigte Geschlechterrollen (Sie fühlen sich nicht länger als bewertetes Objekt). Aber vor allem: Es macht Spass. Alles wird gut. 

Ursula von Arx ist eine passionierte Glotzerin. Sie kann nicht anders. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.

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