Wie oft schon wurde uns der Untergang prophezeit – ob Atomkrieg, Waldsterben oder Vogelgrippe, ob Millenniumsbug oder Trump, bisher liess uns jedes Katastrophenszenario in abgeklärter Angstlust erschaudern. Und fröhlich weitermachen. Doch diesmal ist es anders.
Ist es das? Nein. Denn wir reden ja nicht vom Coronavirus, sondern vom Klimakollaps. Wir reden davon, dass jährlich Millionen Menschen, Tiere und Pflanzen in Waldbränden, Wasserfluten, Wirbelstürmen umkommen. Wir reden davon, dass wegen Luftverschmutzung jährlich sieben Millionen Menschen frühzeitig ins Grab steigen, dass Korallenriffe verenden, Arten und Gletscher verschwinden, in rasendem Tempo, auf immer und ewig. Und was tun wir dagegen? Viel zu wenig.
Plötzlich Angst, zu wenig zu tun
Doch seit einigen Wochen gibt es Hoffnung. Was die Wissenschaft, die seit 40 Jahren vor der Klimakatastrophe warnt, nicht schaffte, schafft nun tatsächlich ein sechzig Millionstel Millimeter kleines Teilchen aus der chinesischen Stadt Wuhan: Sars-CoV-2 lehrt uns das Fürchten und lässt uns den globalen Notstand ausrufen. Krisensitzung folgt auf Krisensitzung, Pressekonferenz auf Pressekonferenz, gestrichene Flüge, vermiedene Küsse, Kurseinbrüche, Kurzarbeit, stornierte Reisen und Handschläge, Hamsterkäufe.
Jetzt plötzlich fürchten sich Politiker nicht mehr, massive Massnahmen zu treffen, die Wirtschaft zu schädigen, Freiheiten zu kappen. Jetzt plötzlich haben sie Angst, sie könnten zu wenig tun, nicht zu viel, so tun sie was.
Das alles wäre machbar gewesen!
Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Unser vom Virus angesteckter Überlebenswille denkt nicht gross, nicht konsequent genug. Er müsste die Klimakrise mitdenken. Doch streckt er den Kopf nicht in den Himmel, eher steckt er den Himmel in den Kopf, hält alles so individuell und privat wie nur möglich.
Was wäre an rettenden Massnahmen nicht alles machbar gewesen, hätten wir schon vor Jahren die Klimakrise begriffen, wie wir jetzt dieses winzig kleine, kranzförmig-stachelige Virus begreifen, das von blossem Auge nicht zu sehen ist: als akute Gefahr. Dazu wäre nur ein wenig Verstand nötig gewesen. Aber auch ein Denken über den eigenen Tod hinaus – ans Leben unserer Kinder und Kindeskinder. Alles werde gut.
Ursula von Arx kommt derzeit bei jedem Hüsteln ins Grübeln – und fragt sich, warum aufheulende Motoren sie nicht öfter wütend machen. Sie schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.