Kolumne «Alles wird gut»
Geschenke? Eine schöne Bescherung!

Schenken ist eine Kunst. Beschenkt werden auch. «Oh, das wäre aber nicht nötig gewesen!» – wenn Sie diese Dankesworte kennen, dann wissen Sie, was unsere Kolumnistin meint.
Publiziert: 15.12.2019 um 23:10 Uhr
Ursula von Arx, Autorin.
Foto: Thomas Buchwalder
Ursula von Arx

Das Problem ist nicht, dass es Gut und Böse, Frust und Freude, Bekömmliches und wenig Bekömmliches gibt. Das Problem ist, dass wir oft nicht wissen, was was ist und was wozu führt.

Geschenke zum Beispiel. Machen Freude, sowohl dem Schenkenden als auch dem Beschenkten, das ist ihr Sinn, ganz einfach. Doch Geschenke sind nie einfach, erst recht nicht an Weihnachten, wo das Ritual des Schenkens nicht nur die Wirtschaft auf Trab hält, sondern auch unser Innenleben. Denn womit drücken wir am Fest der Liebe unsere Liebe aus? Eben. Leider können wir dabei fast nur versagen.

Pyjama für den wunschlos Unglücklichen

Wie oft schon haben Sie in vom Kerzenlicht des Tannenbaums hell erleuchtete, enttäuschte Gesichter geschaut? Sie sehen Ihren Bruder vor sich, wie er langsam den Pyjama aus dem Geschenkpapier wickelt, und sich bei Ihnen mit einem gequält erfreuten «Oh, das wäre aber nicht nötig gewesen!» bedankt. Zugegeben, es war ein Verlegenheitsgeschenk, in letzter Minute online erstanden. Aber was sonst hätten Sie diesem in Ihren Augen wunschlos Unglücklichen geben können? Sollten Sie in Zukunft vielleicht jedes Gespräch mit ihm nach verklausuliert geäusserten Sehnsüchten durchsuchen? Da kann einem ja jede Lust auf Gespräche vergehen.

Sie haben eine beste Freundin. Aber offensichtlich beruht diese Freundschaft nicht auf Gegenseitigkeit. Woran Sie das festmachen? Zu ihrem 40. Geburtstag haben Sie ihr eine gemeinsame Reise nach Venedig geschenkt. Und was lag bei Ihnen unter dem Weihnachtsbaum, quasi als Gegengeschenk? Ein Buch. Titel: «Dankbarkeit», Autor: Oliver Sacks. Eine schöne Bescherung! Noch dazu verdient sie das Dreifache von Ihnen.

Schenken kann man lernen

Schenken ist eine Kunst. Sich beschenken lassen zu können ebenfalls. Jede Kunst erfordert Disziplin. Aber wer hat die schon?

Wenn Sie diese Frage realistisch mit «keiner» beantworten, dann verzichten Sie am besten auf Geschenke, sowohl als Sender als auch als Empfänger.

Wenn Sie diese Frage hingegen idealistisch mit «Kann man lernen» beantworten, dann fangen Sie an zu meditieren, und zwar sofort:

1. Geschenke sind Geschenke sind Geschenke.
2. Geschenke sind geschenkt, also keine Tauschgeschäfte.
3. Geschenke und Liebe sind nicht dasselbe.
4. Grosse Geschenke und grosse Liebe noch weniger.
5. Alles wird gut.

Ursula von Arx ist eine miserable Schenkerin. Sie schenkt gern Nützliches. Sie will einfach nicht begreifen, dass die wahrhaft guten Dinge die unnützen sind. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.

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