Schon vor dem Gerede von toxischer Männlichkeit habe er keiner Frau mehr nachgeschaut, sagt Theo. Wie er auch beim Anblick von Schoggimousse, seinem Lieblingsdessert, nie mehr die Lippen lecke, das könnte ja als Belästigung empfunden werden.
Dabei wirkt Theo keineswegs verzagt. Und das Thema der Political Correctness belebt seinen Stoffwechsel zusätzlich. Voller Elan redet er gegen diesen «kollektiven Albtraum» an, diesen «völlig aus dem Ruder gelaufenen Opferschutz».
Wenn Rechte in dieser Stimmlage wettern, wundert das kaum. Sie machen damit Politik, dass sie lautstark ihre Ressentiments in Szene setzen, nicht obwohl, sondern damit sie als sexistisch, rassistisch, hetzerisch wahrgenommen werden. So können sie sich als Tabubrecher brüsten.
Aber was, wenn einer wie Theo sich derart ereifert, also einer, der sich «eigentlich als links» begreift? Fühlt Theo sich von PC so sehr gegängelt? Begegnet er auf Schritt und Tritt dreisten Mimosen, die sich als Opfer gebärden und daraus einen Anspruch auf Bevorzugung und moralische Überlegenheit ableiten?
Theo hebt die Schultern. Jedenfalls, sagt er, sei «diese PC-Sache total überdreht». Früher, da sei für die Linke die soziale Frage im Zentrum gestanden, also Umverteilung, Rechte der Arbeiter, Bildung. Und heute? «Frauenquoten und Homoehe.»
Theo hat weder ganz unrecht noch recht. Die Linke vertritt immer noch die Anliegen der schlechter Gestellten. Nur verfängt der alte Klassenkampf – weisse, männliche Arbeiter gegen weisse Fabrikherren – nicht mehr. Denn heute hat keine Hautfarbe, keine Religion, kein Geschlecht mehr die selbstverständliche Vorherrschaft. Wir müssen nebeneinander auskommen. Das ist schwer auszuhalten. Für alle, aber vielleicht speziell für weisse Männer mit Abstiegssorgen.
Ihnen macht die Rechte ein verlockendes Angebot. Sie spricht ihre Gefühle an. Sie ermutigt die Statusgekränkten, sowohl gegen oben zu treten, gegen eine irgendwie benannte Elite, als auch gegen unten, gegen Asylanten, Ausländer, Muslime. Und offeriert ihnen damit Empörungsprofit sowie ein Ventil für Wut und Ohnmacht.
Und was hat die Linke den Selbstwertarmen zu bieten? Den Mindestlohn. Der aber verschafft einem gepiesackten Ego keine Satisfaktion.
Alles werde gut.
Ursula von Arx nimmt sich vor, mal wieder Mark Twains «Huckleberry Finn» zu lesen. Da werden die gesellschaftlich Abgehängten kitschfrei und voller Würde dargestellt. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.