Gopfried Stutz!
Unter Missbrauch verstehe ich etwas anderes als die Versicherer

Unter Missbrauch verstehe ich, wenn Unfallversicherer eine Operation nicht bezahlen mit dem Hinweis, der gesundheitliche Schaden habe schon vorher bestanden.
Publiziert: 08.02.2019 um 23:26 Uhr
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Aktualisiert: 11.02.2019 um 23:16 Uhr
Claude Chatelain, Kolumnist bei SonntagsBlick und Publizist.
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Claude ChatelainKolumnist und Wirtschafts-Publizist

Der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) hielt jüngst seine Jahresmedienkonferenz ab. Er berichtete, dass das Prämienvolumen sowohl im Leben- als auch im Schadengeschäft angestiegen sei, dass der Versicherungssektor mit seinen über 46'000 Mitarbeitenden gemessen an seiner Bruttowertschöpfung zu den zehn grössten und zugleich wachstumsstärksten Branchen des Landes zähle.

So weit, so klar. Dann erläuterte der Verband die Teilrevision des Versicherungsaufsichtsgesetzes. Es regelt die Aufsicht mit dem Ziel, so der SVV, «die Kunden vor der Insolvenz eines Versicherers und vor Missbräuchen zu schützen.»

Missbräuche? Habe ich richtig gehört? Es stellte sich heraus, dass ich unter Missbrauch etwas anderes verstehe. Unter Missbrauch verstehe ich zum Beispiel, wenn Unfallversicherer eine Operation nicht bezahlen mit dem Hinweis, der gesundheitliche Schaden sei nicht auf den Unfall zurückzuführen, sondern habe schon vorher bestanden. Und dies, obschon die behandelnden Ärzte zu einem ganz anderen Schluss kommen. Mit der Konsequenz, dass die Krankenkasse die Operationskosten bezahlt und das Unfallopfer Selbstbehalt und Franchise aus dem eigenen Sack berappen muss.

Ein Missbrauch von Macht, sozusagen. Ich gebe zu, als Unfallopfer kann man dagegen Einspruch erheben, und wenn das nicht fruchtet, kann man das Verwaltungs- oder Versicherungsgericht anrufen. Das Verfahren hat grundsätzlich keine Kostenfolgen. Und doch scheuen sich viele vor diesen Umtrieben und zahlen halt der Krankenkasse die Franchise und den Selbstbehalt. Für den Unfallversicherer ist die Rechnung aufgegangen.

Eine Unsitte, die auch dem Ombudsmann der Privatversicherer und der Suva nicht entgangen ist: «Wir beobachteten in diesem Jahr eine Zunahme der Fälle, in welchen der Unfallversicherer zunächst die Leistungspflicht bejahte, dann aber, als eine kostspielige Behandlung wie zum Beispiel eine Operation anstand, nach ergänzenden Abklärungen die weitere Leistungspflicht mit der Begründung verneinte, sie seien nicht mehr kausal.» So zu lesen im Geschäftsbericht 2017.

Beim anschliessenden Stehlunch ermunterte mich SVV-Direktor Thomas Helbling, die Arbeit des Ombudsmanns zu würdigen. Es sei doch verdienstvoll seitens der Versicherungswirtschaft, Jahr für Jahr über eine Million Franken für den Ombudsmann bereitzustellen. Nach Auffassung von Thomas Helbling ist das Wirken des Ombudsmanns noch zu wenig bekannt, obschon es ihn bereits seit 1972 gibt.

Ich komme diesem Wunsch gerne nach. Doch aufgepasst: In Fällen, wie ich sie eben geschildert habe, ist der Ombudsmann zu konsultieren, bevor man sich beim Versicherer beschwert. Denn sobald die Unfallversicherung eine Verfügung erlassen hat, kann der Ombudsmann nicht mehr vermitteln.

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