Gopfried Stutz
Ich mag die Papi-Zeit jedem gönnen

Ich kam nicht in den Genuss eines Vaterschaftsurlaubs – und es hat mich auch nicht gestört. Ich nahm Ferien.
Publiziert: 02.03.2019 um 17:44 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
Claude Chatelain, Kolumnist bei SonntagsBlick und Publizist.
Foto: Paul Seewer
Claude Chatelain

Die schönsten Momente in meinem Leben? Keine Frage: die Nächte, in denen meine Tochter und später mein Sohn mitten in der Nacht sich bemerkbar machten, ich aufstand und dem kleinen Geschöpf den Schoppen gab. Das tat ich auf der Couch vor dem Fernseher. Selbstverständlich blieb die Mattscheibe dunkel, wie auch alles rund herum ziemlich dunkel und vor allem still war. Man hörte nur das Glucksen des Kindes. Grossartig.

Damit sind wir beim Vaterschaftsurlaub. Heute gibts keinen gesetzlichen Anspruch auf Vaterschaftsurlaub. Arbeitnehmer müssen bloss «die üblichen freien Stunden und Tage» für familiäre Ereignisse gewähren. Dazu gehört auch die Geburt des Kindes. Je nach Arbeitsvertrag sind das ein bis zwei Tage.

Viele Arbeitgeber offerieren ihren Angestellten freiwillig eine Papi-Zeit. Bei der Bundesverwaltung beträgt sie zwei, bei Migros und Coop gar drei Wochen. Und wie dieser Tage bekannt wurde, will Novartis einen Vaterschaftsurlaub von 14 Wochen gewähren.

Soeben ist die Vernehmlassung der ständerätlichen Sozialkommission abgelaufen. Sie schlägt in einem indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative von Travailsuisse einen gesetzlichen Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen vor. Doch der Gewerkschaftsdachverband beharrt auf seinen vier Wochen, wie er Mitte Woche verlauten liess.

Ich kam nicht in den Genuss eines Vaterschaftsurlaubs – und es hat mich auch nicht gestört. Ich nahm Ferien. Wann sonst hätte ich Ferien nehmen sollen? Mit dem Kleinkind zu verreisen, ist nicht lustig, weder für die Eltern noch für die Mitreisenden.

Daran dachte ich kürzlich auf einem Swiss-Flug von Málaga nach Zürich. Ich hatte das Pech, vor einem Kleinkind zu sitzen, das aus vollem Hals schrie. Kinder weinen nun mal. Doch wenn ein Kind im Flugzeug durchdringend schreit wie der Oskar in dem verfilmten Roman «Die Blechtrommel» von Günter Grass, dann versagen meine Nerven. Erstaunlich nur, dass meine Brillengläser nicht zerbarsten.

Mir schiesst die Frage durch den Kopf, ob ein gesetzlich verordneter Vaterschaftsurlaub dazu führen würde, dass noch mehr Kleinkinder in Flugzeugen die erträglichen Dezibel-Grenzwerte überschreiten. Wenn dem so wäre, müsste man jeden zusätzlichen Vaterschaftsurlaub vehement bekämpfen.

Ich schlug mir diesen Gedanken schnell wieder aus dem Kopf. Abhilfe würde etwas ganz anderes schaffen: massiv höhere Flugpreise. Das könnte Familien das Reisen im Flugzeug vergällen. Flugreisen sind eh viel zu kostengünstig, wenn man bedenkt, wie sehr der Flugverkehr der Umwelt schadet.

Sorry, ich lenke vom Thema ab. Wir sind ja beim Vaterschaftsurlaub, den ich jedem Vater von Neugeborenen gönne. Aber die spottbilligen und umweltschädlichen Flüge beschäftigen mich halt viel mehr.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?