Fix zur Gesellschaft
«Wart gschwind, ich chum grad wider!»

Alexandra Fitz, Stellvertretende Leiterin des SonntagsBlick Magazins, wundert sich über all jene, die das Telefon abnehmen, auch wenn sie gar keine Zeit haben. Und merkt: Früher konnte auch sie sich nicht vom Telefonhörer trennen.
Publiziert: 01.04.2019 um 18:45 Uhr
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Aktualisiert: 21.10.2022 um 11:10 Uhr
Alexandra Fitz, stv. Leiterin SonntagsBlick Magazin
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Alexandra FitzCo-Ressortleiterin Gesellschaft

Für mich ist Telefonieren immer noch eine Sensa­tion. Da können sich zwei Menschen stimmlich ­verständigen, obwohl sie nicht nebeneinander ­stehen. Physik hin oder her, das isch uh krass! ­Krasser war es aber im Jahr 1876. Als Alexander ­Graham Bell das erste Gespräch der Welt führte. Sein unspektakulärer Satz «Watson, come here. 
I need you!» wurde spektakulär. Ach ja, wenn man bei Google «erstes Telefonat» eingibt, erscheint an zweitoberster Stelle die Werbung eines Dating-Portals: «10 Tipps für das erste Telefonat».

Keinen Anruf verpassen

Muss etwas her sein, denn heute chatten und ­mailen die Leute lieber. Aber es gibt sie noch, die ­Telefonierer. Meist sind es ältere Semester. Chatten geht zu lang, telefonieren können sie bestens. Sie sind es, die den wahren Wert des Telefongesprächs aufrechterhalten und keinen Anruf verpassen und in den unmöglichsten Situationen abheben. Denn wer weiss, ob der andere je wieder anruft! Beispiele?

«Hoi, wart gschwind, bin grad no am andere ­Telefon. Chum grad wider zu dir», hechelt er ins ­Telefon. Es folgt ein kurzes Blabla in einem anderen Gespräch. Dann ist er zurück. Das ging aber schnell (sorry, Arbeitskollege 1!). Ein weiteres Beispiel (Familie) plappert am anderen Apparat munter weiter, ­während er mich warmhält. Genervt leg ich jedes Mal auf und schimpfe vor mich hin (falls du das liest: Hör bitte auf damit!). Ein anderer Arbeitskollege (sorry!) – ebenfalls männlich und Ü50 – nimmt ab und antwortet auf die Frage «Stör ich grad?» (total unreflektiert! Denn wenn ja: Nimm nöd ab, Gopf!): «Jo, bin grad bim Arzt!» – «Äh, okay, dänn lüt zrugg!» Ich bin begeistert und irritiert zugleich, dass er abnimmt.

Früher konnte ich den Hörer nicht weglegen

Früher, um 1995, telefonierte ich Stunden mit meinem besten Freund. Bemerkungen meiner Angehörigen – «Jetzt habt ihr euch doch den ganzen Nachmittag gesehen» – ignorierte ich. Genauso wie die Rechnungen, die dankenswerterweise meine Eltern bezahlten. Wenn wir beide auf die Toilette mussten, legten wir den Hörer nicht auf, sondern bloss hin und verabschiedeten uns mit einem «Wart schnell!». Da war Telefonieren halt wirklich noch ein wichtiges Geschäft. 

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