Fix zur Gesellschaft
Ich will mehr Funklöcher!

Wann hatten Sie das letzte Mal kein Netz? Wird die nächste Generation überhaupt noch wissen, was es heisst, einen Menschen nicht zu erreichen? Wenn sie es sich so überlegt, wäre unsere Autorin gerne öfter in Funklöchern.
Publiziert: 13.01.2020 um 09:17 Uhr
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Aktualisiert: 21.10.2022 um 11:12 Uhr
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Alexandra Fitz, stv. Leiterin SonntagsBlick Magazin
Foto: Thomas Meier
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Alexandra FitzCo-Ressortleiterin Gesellschaft

Es gibt sie noch. Auch wenn sie selten geworden sind. Ich frage mich, ob die nächste Generation sie überhaupt noch kennen wird. Ob sie wissen wird, was es heisst, dass ein Mensch nicht erreichbar ist, ausser man fährt zu ihm hin. Und ich frage mich, wie es so weit kommen konnte, dass man etwas so Nervtötendes plötzlich gern bekommen kann. Ich spreche von Funklöchern.

Früher konnte es immer und überall passieren. Die Anzeige «Kein Netz» war keine Seltenheit. In Gebäuden wie in abgelegenen Tälern. Und auch das Telefonieren über das mobile Internet verlief im Fall nicht von Anfang an glimpflich. Früher bestanden Gespräche übers Handy nicht selten aus Sätzen wie «Hörst du mich?» – «Ja, ich höre dich, hörst du mich?» – «Halloooooooooo?» Es hat gekrost, geknistert und gestört. Die Person am anderen Ende der Leitung klang abgehackt, man verstand kaum ein Wort, irgendwann legte man genervt auf. Ein «Sorry, hatte kein Netz!» stellte keiner in Frage.

Und heute? Wann waren Sie das letzte Mal in einem Funkloch? Wann zeigte Ihr Smartphone keine Striche an? Mir passierte das letztens im Kino. Einerseits dachte ich mir: Halloooooooo? Es ist 2020, und wir haben echt immer noch nicht flächendeckend Empfang? Andererseits stellte sich so ein wohliges Gefühl ein: 2 Stunden und 22 Minuten (ja, der Bruno-Manser-Film dauert so lange; auf Seite 24 dieses Magazins lesen Sie ja, was das Gute an der Kürze ist) – so lange nicht erreichbar sein. Herrlich.

Wann haben wir das heute sonst noch? Im Schlaf, okay. Und eigentlich auch im Flieger. Wäre nicht irgendein Vollidiot auf die Idee gekommen, gegen Geld WLAN auf zehn Kilometern über der Erde anzubieten. Wir sind uns einig, dass es all den Business-Männern und Social-Media-Fritzen (sie werden es zweifelsohne sein, die das Angebot nutzen) guttäte, einmal ein paar Stunden offline zu sein. Rein so fürs Gemüt.

Ausserdem haben uns Funklöcher schon geholfen. Wurde das Gespräch unangenehm, konnte man auch mal mit der Handfläche über das Telefon wischen, «schschsch» zischen, «Sorry, ich hör dich so schlecht!» sagen und auflegen.

Nicht zuletzt gehört doch zu jedem Netz ein Loch. Denn ein Netz ohne Löcher ist kein Netz!

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