Fix zur Gesellschaft
«Hey, händr Sirup?» – «Hän mir was?»

Nachts in einer Bar in Zürich erlebt man ja viel, aber dass einer nach Sirup fragt? Unsere Autorin wundert langsam nichts mehr.
Publiziert: 13.10.2019 um 15:12 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
Alexandra Fitz, stv. Leiterin SonntagsBlick Magazin
Foto: Thomas Meier
Alexandra Fitz

Wir sitzen am Tresen. Vor uns Wein. Bier. Apérol. Und Wasser. Ja, auch kli Wasser. Dann tönt es von hinten: «Hey, händr Sirup?» Wir blicken direkt in das verwirrte Gesicht des Kellners und fühlen mit ihm, als er antwortet: «Hän mir was?»

«Sirup!», sagt die männliche Stimme in der zweiten Reihe noch einmal. «Nei, sorry, das händ mir nöd», heisst es vonseiten der Bar. Ich weiss nicht mehr, zu welchem Zeitpunkt wir uns genau umdrehten. Sie wissen ja: Wein. Bier. Apérol. Und Wasser. Ja, auch kli Wasser. Wir drehten uns aber alle zur selben Zeit um. Total unauffällig. Da stand der Sirup-Typ also. Gehüllt in einen Pelzmantel. Das Tier muss weiss gewesen sein, mit schwarzen Tupfern. Vielleicht ein Dalmatiner. Die Haare blond gefärbt und mit Gel ans Haupt gepappt. Die Definition von «extravagant» in Person.

Was er stattdessen an der Weinbar inmitten des Zürcher Kreis 4 aka Langstrasse bestellte, kann ich leider nicht mehr wiedergeben. Wir waren zu beschäftigt mit Lachen und Lästern. «Tssss, Sirup!» – «En Sirup, z Nacht ir Wiibar!» Sie wissen: Wein. Bier. Apérol. Und Wasser. Ja, auch kli Wasser. Warum genau Sirup? Warum kein Wasser, keine Cola, kein Apfelsaft?

Wurde Sirup unbemerkt zum neuen Hipster-Getränk? Selbstgemacht, zuckerarm und exotisch im Geschmack? Also exotisch. Ohne Flugfrüchte. Sondern mit Holder von der Autobahnraststätte Würenlos oder Tannennadeln aus dem Park. 

Jedes Kind liebte Himbi-Sirup. Schön kitschig-rot klebte der Saft in der Plastikflasche. Was drin war? Egal. Alles war besser als Wasser. Jede Familie hatte eine bestimmte Sorte zu Hause. Schliesslich braucht es nicht viel, um sich doch noch ein leckeres Getränk zu zaubern. Ja, der selbstgemachte Holundersirup, der tagelang im Waschtrog einzog, war uh fein, aber manchmal wollte man eben den künstlichen, knalligen, der so hübsch aussah im Glas. 

Ein paar Tage später in einem Café im Kleinbasel. Die Begleitung will Cola oder Eistee. Doch man sieht schon von weitem, dass dieses Lokal keine künstlichen Süssgetränke von Multikonzernen führt. Aber Sirup. Sirup in allen Geschmäckern. Nein, kein Himbi-Sirup aus der Plastikflasche. Wenn ich den Dalmatiner wieder einmal treffe, erzähle ich ihm von der Sirup-Sause im Kleinbasel. 

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?