Sonntag, 15 Uhr, im meistunterschätzten Kanton der Schweiz. Wir sind nun schon durch das dritte Dorf gefahren, um ein Café zu finden und dort unseren Kafi zu trinken und vielleicht ein Stückli von irgendwas zu essen. Wir wollten einfach noch nicht heim. Dieser Tag war schön, weil er so spontan entstand. Also nicht der Tag, sondern der Inhalt des Tages. Wir wachten auf, es war uns nach der Familie, und wir waren hungrig. Also trafen wir uns in der Mitte. Die Mitte ist eben dieser unterschätzte Kanton.
Wir assen in einer herrlichen Stube mit Blick auf einen See zu Mittag. Es war mehr eine Burg- als eine Bauernstube. Die dunklen Holzschränke, die niedrigen Decken und die Kerzen machten diesen Ort so gemütlich. Das schummrige Licht war genau das richtige an diesem Sonntag, an dem man am liebsten im Bett geblieben wäre. Nebel, Regen, Nebel. Früher, wenn wir mit den Grosseltern sonntags in die Traube, den Hirschen oder in die Sonne fuhren, gab es für uns Kinder nur ein Kriterium, das die Beiz erfüllen musste: Gibt es Pommes? (Meine Mutter erzählt heute noch die Geschichte, als sie mich selbst dazu aufforderte, die Wirtin eines Gasthauses zu fragen, ob es Pommes gebe. Diese verneinte, woraufhin ich zu ihr sagte: «Das isch a Schissgagel-Wirtschaft!») Mein Verhältnis zu Pommes hat sich auf dem Weg ins Erwachsenenalter nicht wesentlich geändert. Und wer in der Stadt lebt, umgeben von orientalischen Mezze, japanischen Suppen und veganen Bowls, dem hüpft das Herz bei einem Teller Pommes frites.
Die erste falsche Entscheidung an dem Sonntag im verkannten Kanton war, zu zahlen und den Kafi irgendwo anders trinken zu wollen.
«Irgendwo anders» gab es nicht. Wir tuckerten mit 20 km/h durch die Orte und spähten aus den Fenstern. Wir hatten die Wahl zwischen Kebabläden und Automatenkaffee am Bahnhof. Irgendwann gaben wir auf und verabschiedeten uns. Mit dem Take-away-Becher-Kafi in der Hand warteten wir am Gleis und resümierten: Wechsle nie die Beiz, wenn es gemütlich ist, es wird in den seltensten Fällen besser.