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Fix zur Gesellschaft
Flugstress

Unsere Autorin ist seit langem wieder einmal geflogen. Sie findet Fliegen stressig – also vor allem die Passagiere. Ungehobelt und egoistisch wird der Mensch in der Luft zum Homo tyrannicus.
Publiziert: 25.02.2020 um 11:21 Uhr
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Aktualisiert: 26.02.2020 um 08:52 Uhr
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Alexandra Fitz, stv. Leiterin SonntagsBlick Magazin
Foto: Thomas Meier
Alexandra Fitz

«Echt jetzt?», frage ich fassungslos und unhöflich.

«Echt jetzt!», antwortet er triumphierend und unhöflich.

Ich hätte diesem Businessfuzzi eine schmieren können. Ich hätte diesem Schmierfink meinen ganzen Schimpfwörterfundus an den Kopf knallen können. Aber ich riss mich zusammen. Um uns standen etliche Leute. Und es war erst kurz nach 6 Uhr morgens.

Dieses kleine Tête-à-Tête beweist mir einmal mehr, warum ich nicht gern fliege und warum ich es in letzter Zeit so selten tue.

Ich schrieb an dieser Stelle bereits über den Menschen im Flieger. Nennen wir ihn Homo tyrannicus. Aber es reicht nicht, man muss ihn immer wieder thematisieren, oder das, wozu er durch die Fliegerei wird.

Ich fliege nicht gerne – und das war schon so, bevor Greta und Co. das Wort Flugscham initiierten. Ich fliege nicht gerne, weil mich die Fliegerei stresst. Weil mich die Fliegenden stressen.

Diese Angst vor dem Verpassen des Fliegers, dieses Alles-aus-den-Taschen-Kramen und dieses – wenn die Tasche gescannt wird – Daraufkommen, dass da noch ein kleines Wasserfläschli drin ist, und «Ups»-Sagen.

Letzten Montag stehe ich sehr früh an einem deutschen Flughafen. Sicherheitskontrolle. Plastikbeutel mit Flüssigkeiten und Laptop separat. Alles schön vorbereitet. Trotzdem gibt es ein Problem mit meiner Tasche – oder besser in meiner Tasche.

«Darf ich das mal aufmachen?»

«Natürlich!»

Er kramt und kramt, zieht eine Tüte heraus und entwickelt seine Beute aus der Luftpolsterfolie.

«Eine Kerze!»

«Sagen Sie nicht, dass das nicht erlaubt ist. Die ist ja nicht flüssig. Also jetzt nicht!»

«Eine Kerze dürfen Sie …»

«Was? Nein, nicht Ihr Ernst», sage ich leicht gereizt.

Er lächelt und sagt: «Eine Kerze dürfen Sie mitführen.»

Ich schäme mich etwas über meine voreilige Gereiztheit und verschwinde zum Gate.

Vor dem Gate stehen die Menschen schon Schlange. Nicht wirklich geordnet, aber Hauptsache irgendwie vorne. Die Mitarbeiterin sagt etwas von «Boarding-Gruppen» in der Durchsage. Es gibt fünf Gruppen. Obwohl gerade Gruppe 1 und 2 einsteigen sollen, versuchen es welche aus fremden Gruppen. Zu köstlich ist es, wenn sie ihre Bordkarte auf das Scanngerät legen, dieses rot aufleuchtet und laut anfängt zu piepsen. Die Angestellten schicken die Passagiere zurück und bitten sie zu warten. Das passiert natürlich noch ein paar Mal. Der Mensch ist ja nur bedingt lernfähig.

Die letzte Gruppe wird immer nervöser, ein junger Herr ist ganz gestresst und sagt: «Das ist megascheisse wegen unseren Koffern!» Um das geht es all den Leuten. Deswegen wollen sie so schnell wie möglich in den Flieger rein, um ihre Ungetüme zu verstauen.

Und so kommt es, dass der Herr ein paar Reihen vor mir in einer Selbstverständlichkeit seinen Handgepäckkoffer in meinem Ablagefach über meinem Sitz verstaue und ich keinen Platz mehr habe. Ich sage also zu ihm: «Echt jetzt?», was ausgedeutscht so viel heisst wie: «Alter, ist das dein verdammter Ernst?»

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