«Nein, tun Sie’s nicht! Bücher begleiten uns durchs Leben. Werfen Sie sie nicht weg», steht auf dem Flyer in meinem Briefkasten. Darunter liegt eine Packung Merci. Von meinem Retter. Letzte Woche erzählte ich Ihnen, dass ich einen Mann gefunden habe. Einen Mann, der Bücher vor der Entsorgung rettet. Daher nennt er sich konsequenterweise: Bücherretter. Die Abholung klappte wunderbar, es war seine 183.
Andreas Spöcker, so heisst der Mann aus dem Toggenburg, liebt Bücher seit seiner Kindheit. Mit 14 rettete er Bücher aus einem Müllcontainer, seither sammelt er sie. Er studierte Theologie und arbeitete in diversen Bibliotheken. Zum Schweizer Bücherretter wurde er, weil eine Bibliothek in seiner Nähe aufgelöst wurde. 5000 Bücher! Man konnte sich welche aussuchen und abholen. «Und was ist mit dem Rest?», wollte er beim Gehen vom Bibliothekar wissen. «Container!» Das konnte Spöcker nicht mit ansehen. Er erschien immer wieder mit einem leeren Auto und packte es voll. So hatte er plötzlich mehrere Tausend Bücher im Keller stehen und wusste bis dahin noch nicht, was damit anzufangen. Im Gespräch mit Freunden merkte er: Viele sind ratlos, was sie angesichts überquellender Bücherregale tun sollen. So wurde er zum Bücherretter.
Und was macht er mit all den Büchern? Er schätzt die Zahl mittlerweile auf etwa 50 000. Er stellt sie in den Bücherstollen in Ebnat-Kappel SG. So nennt er den Keller des Pfarrhauses, dessen Seelsorger er ist. Interessierte können gegen eine freie Spende Bücher mitnehmen. Mit dem Geld unterstützt er einen gemeinnützigen Verein. Manche Bücherladungen gehen ins Altersheim oder in einen Kinderhort. «Das ist ein wunderbares Hobby», sagt Spöcker. «Jedes Buch ist ein Kunstwerk.» Dabei ist er selbst gar kein Leser. Er hält Bücher lieber in den Händen, sammelt und sortiert sie.
Spöcker schenkt den Büchern ein zweites Leben – mit einem neuen Besitzer. Er schätzt die Begegnungen mit all den Menschen, denen er dabei begegnet. Leider habe ich den Bücherretter nicht persönlich kennengelernt. Aber ich lese einfach weiter, und wenn ich wieder Bücher entsorgen möchte, weiss ich ja nun, wer sie rettet.