Letzte Woche sah ich sie endlich wieder. Ich trat ins Geschäft, und als sich unsere Blicke trafen, strahlten wir beide. Sie kam auf mich zu, und wir umarmten uns. Richtig, kein leichtes Drücken mit Schulterntätscheln. «Schön, dass du zurück bist», sagte ich ihr. «Als ich gestern wieder meinen ersten Arbeitstag hatte und deinen Namen in der Agenda sah, hab ich mich sehr gefreut», entgegnete sie.
Meine Coiffeuse hatte sieben Wochen Krankenstand.
Sie musste an der Hand operiert werden. Ausgerechnet an
der Hand, ihrem Werkzeug. Schuld ist ihr Beruf. Ich bin froh, dass alles gut ging und sie nun wieder da ist. Dabei geht es mir eigentlich überhaupt nicht um meine Haare.
Ich bin noch nie gerne
zum Coiffeur gegangen. Das hat zwei Gründe: Erstens bin ich nie zufrieden, zweitens finde ich meine Haare immer gerade am Morgen des Coiffeurtermins gut und will plötzlich nichts mehr anderes. Dafür gibt es bestimmt eine tiefenpsychologische Begründung. So wechselte ich von einem hippen Salon zum nächsten. In der Hoffnung auf eine gute Frisur. Was ich aber eigentlich suchte, ist mir erst klar, seit ich Aida gefunden habe. Es geht um den Menschen, nicht um die Frisur. Ich gehe zu ihr, weil wir uns verstehen, weil ich nicht das Gefühl habe, dass sie nur versucht, mir so viel Strähnen wie möglich reinzupinseln, um grosse Kasse zu machen – und natürlich, weil sie gut ist und ich endlich zufrieden. Es ist übrigens eine 0815-Kette, wie es sie in jeder Stadt gibt. Also nur so von wegen hippe Salons und so.
Ich zeige Aida, dass ich gerne zu ihr komme, dass sie es wert ist, sieben Wochen mit grauem Deckhaar rumzulaufen, und einmal brachte ich ihr eine Tafel Merci. Es geht um Wertschätzung für Menschen, die nicht zu unserem Leben gehören, aber irgendwie doch. Wir sollten sie nicht übersehen. Dem Pöstler mal eine Schokolade hinlegen oder zu Weihnachten eine Karte mit etwas Geld. Ich habe das herzige Dankeskärtli meiner Zustellfrau immer noch.
Wenn ich ganz vorne im Bus oder Tram mitfahre, sage ich dem Chauffeur beim Aussteigen: «Danke, schönen Tag!» Danke, dass du mich sicher bis hierher gefahren hast. Wir sollten die Alltagshelden, die unser Leben zusammenhalten, schätzen.