Kürzlich schrieb eine Freundin von mir in dieser Zeitung übers Glück. Es ging darum, wie ältere Menschen ihr Glück finden, auch wenn sie schwere Schicksalsschläge erlebt haben. Sie schrieb auch, dass es manchmal da ist und wir es erst erkennen, wenn es weg ist. Der Mensch sucht so verkrampft danach. Fast so als wäre es ein weiterer Bulletpoint auf der To-do-Liste. Aber es lässt sich nun mal nicht ordern. Oft sehen wir das Glück gar nicht, weil wir grad keine Zeit haben, weil wir grad nicht so aufnahmefähig sind.
Das Glück, so ist die Freundin der Meinung, lauert überall. Sie überfiel es auf dem Nachhauseweg zwischen Tramhaltestelle und Fussgängerstreifen. Mir begegnete es vergangene Woche. Ich weiss nun, was oder besser wer mir zu so einem schönen wohligen Gefühl im Herzen verhilft. An der Haltestelle stand ein junger Mann. Blondiertes Haar, Sonnenbrille, dunkler Hut. Er hatte eine Gitarre in der Hand. Vor ihm ein Mikrofon, zu Füssen die Tasche seines Instruments. Er stimmte gerade das Lied «Chasing Cars» der britischen Band Snow Patrol an. Kitschig, aber auch schön. Die unterschiedlichsten Leute blieben wie angewurzelt stehen, blinzelten in die Frühlingssonne und lauschten dem jungen Künstler. Als er die Zeile «Would you lie with me and just forget the world?» (dt. Würdest du dich zu mir legen und einfach die Welt vergessen?) sang, vergass ich für einen Moment alles um mich herum.
Diese Momente, oft passieren sie nach der Arbeit, haben nicht viel Raum, weil wir schon zum nächsten Treffen hetzen. Umso schöner ist es, wenn sie uns unerwartet erwischen – und wir sie zulassen. Ich dachte nun an den Cello-Spieler im Innenhof des Basler Rathauses, der mir ein paar Wochen zuvor zwischen den roten Sandsteingemäuern auch so ein Glücksgefühl beschert hatte, und warf dem Sänger in Zürich eine Münze in die Gitarrentasche – im Nachhinein viel zu wenig – und stieg ins Tram. Von meinem Lieblingsplatz aus (die Sitzbank ganz hinten) sah ich ihm noch eine Weile zu. Das Fenster war auf, ich legte mein Kinn auf den Rand und schloss die Augen. Er sagte: «Ich spiele nun das letzte Lied» und stimmte ausgerechnet meinen Lieblingssong an.