ETH-Präsident Joël Mesot über Weiterbildung
Fit fürs digitale Zeitalter

Joël Mesot ist Präsident der ETH. Der erste Romand in diesem Amt seit über 100 Jahren. In dieser Kolumne widmet er sich der Sicherheit im Internet.
Publiziert: 15.06.2019 um 14:52 Uhr
Der Physiker Joël Mesot ist seit über 100 Jahren der erste Präsident der ETH Zürich aus der Romandie.
Joël Mesot

Nennen wir sie Petra. Sie hat – 2029 – eben ihr CAS-Diplom als Spezia­listin für Augmented-Reality-­Anwendungen erhalten und wird das neu erworbene Wissen künftig für eine Warenkette einsetzen, wo sie personalisierte Reisen durch die virtuelle Produktewelt kreiert. Petra ist natürlich ebenso fiktiv, wie die Beschreibung ihres Berufsbildes spekulativ ist. Hingegen können zwei Annahmen in meinem Beispiel als gesichert gelten: Zum einen werden sich aus neuen Technologien neue Berufsprofile ergeben, und zum andern wird die Weiterbildung in der digitalen Welt zur ­Lebensaufgabe.

Digitale Weiterbildung ist eine Marktlücke

Diese Zukunft hat bereits begonnen, und das Weiterbildungs­angebot wächst. Neue Anbieter wie Coding-Akademien etwa ­haben eine Marktlücke entdeckt und vermitteln Programmierkenntnisse. Auch für eine technische Hochschule wird das ­Thema wichtiger, weshalb die ETH den Bereich der Weiter­bildung vor einem Jahr neu ­gebündelt hat. Seit 2015 ist die Zahl der Weiterbildungsangebote von 30 auf 52 angewachsen, acht ­weitere Programme sind in Vorbereitung. Darunter Zertifi­kate (CAS), Diplome (DAS) oder ­Master of Advanced Studies (MAS). Die Themenpalette ist – der technologischen Entwicklung gehorchend – ausgeweitet worden und umfasst Angebote in ­Cybersecurity, Datenwissenschaft oder Zertifikationslehrgänge wie International Policy and Advo­cacy.

Mehr noch als in der Grundausbildung versucht man in der Weiterbildung auf die raschen ­beruflichen und wirtschaftlichen Entwicklungen zu reagieren. Dazu zwei Beispiele. Das erste ist ein neues Sabbatical (CAS) für qualifizierte technische Fach-­kräfte mit mehrjähriger Industrieerfahrung. Das Angebot ist massgeschneidert. Es kann eine Person oder eine Gruppe umfassen, kann zwei oder mehrere ­Monate dauern. Mentoren stehen aus mehr als 70 Forschungsgruppen zur Verfügung. Ein Kerngedanke des Sabbatical ist, dass sich Kursteilnehmende an Forschungsarbeiten beteiligen und Lehrveranstaltungen besuchen und dass die Mentoren der ETH ­ihrerseits von den Erfahrungen und dem Industrie-Know-how profitieren. Wissen soll in beide Richtungen fliessen.

Lebenslanges Lernen wird Pflicht

Ein zweites Angebot, das diesen Herbst beginnt, richtet sich an Personen aus dem Management ohne technisch-naturwissenschaftlichen Hintergrund. Das MAS-Programm «Applied Technology» soll Führungskräften ein besseres Verständnis von Informations­systemen und technischen Entwicklungen geben, die den ­Rahmen bilden für Innovationen, sei dies in einer grossen Firma oder einem KMU. So wie sich ­Ingenieure in einer Zweitaus­bildung das nötige Management-Rüstzeug holen, sollen hier ­Führungskräfte die wesentlichen ­Treiber der Digitalisierung verstehen und sich zunutze machen können. Es gibt inzwischen viele Studien über die Auswirkungen des digitalen Wandels auf die Arbeitswelt. Während die einen die ­Gefahren betonen, sehen andere Chancen, dass mehr neue Stellen entstehen als alte wegfallen. Um diese Chancen nutzen zu können, braucht es die Bereitschaft, sich auf lebenslanges Lernen einzulassen. Aber auch eine Personalentwicklung, die Mitarbeitende mit gezielter Weiterbildung fit hält für den Arbeitsmarkt.

Ihr Joël Mesot

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