Mit dem neuen Jahr blicken wir auch gleich in ein neues Jahrzehnt! Ich kann in meiner letzten Kolumne darum der Versuchung nicht widerstehen, ein paar Gedanken über die Zukunft der Hochschule anzustellen. Man kann hinschauen, wohin man will. Weltgegenden, die sich durch Innovation auszeichnen, haben gute Universitäten im Zentrum ihres Ökosystems. Sie sind gleichsam Fenster zur Welt, zum Weltwissen, das sich permanent erneuert. Unsere Forschenden unterhalten mehr als 9000 Kontakte mit ihresgleichen auf der ganzen Welt. Mehr als die Hälfte dieser Kontakte betreffen europäische Partner. Das Europa der Hochschulen ist für die Schweizer Universitäten ein wichtiges Netzwerk.
«Horizon 2020», das auslaufende europäische Forschungsrahmenprogramm, ist aus Schweizer Sicht eine Erfolgsgeschichte. Unsere Universitäten gehören zu den Institutionen, die am meisten Projekte einwerben konnten. 2019 haben allein ETH-Forschende 37 der prestigeträchtigen ERC-Grants gewonnen, mit denen Grundlagenforschung unterstützt wird.
Im Wettstreit zwischen den USA und China versucht Europa den Anschluss nicht zu verpassen. In Schlüsselbereichen wie Quantencomputing oder künstliche Intelligenz (KI) sollen die Reihen geschlossen werden. Kürzlich wählte das paneuropäische KI-Netzwerk Ellis 17 Standorte in elf Ländern. Zürich mit der ETH und Lausanne mit der EPFL sind Teil dieses Netzwerks. Grenzübergreifende Themen wie Energie oder Klimawandel müssen wir gemeinsam mit unseren europäischen Nachbarn anpacken.
Der digitale Wandel erfasst alles und jeden. Die Arbeitswelt wird sich massiv verändern. Gewissen Studien zufolge werden 65 Prozent der Primarschüler dereinst Berufe ausüben, die es heute noch gar nicht gibt. Wir müssen alles daransetzen, dass die Digitalisierung keine Gräben aufreisst mit Gewinnern auf der einen und Verlierern auf der anderen Seite. Damit wir die Anpassung erfolgreich bewerkstelligen können, braucht es sowohl die Berufsbildung als auch die Hochschulen, die ihre Absolventinnen und Absolventen mit Fähigkeiten ausstatten, den Wandel mitzugestalten. Die Weiterbildung wird an Bedeutung gewinnen, der Austausch zwischen Theorie und Praxis zu einer Lebensaufgabe.
Doppelt so viele ETH-Studenten wie 2000
Im Wandel sind nicht zuletzt auch die Hochschulen selbst. Wir stehen im steifen Wind des globalen Wettbewerbs und sehen uns mit dem Ruf nach mehr Transparenz und mehr Frauen in der Wissenschaft konfrontiert. Und all dies kommt nach einer Periode starken Wachstums. Seit 2000 verdoppelten sich die Studierendenzahlen an der ETH auf 22'000. In der gleichen Zeit stieg auch die Zahl unserer Professorinnen und Professoren markant auf 530 an. Wir stossen mit unseren heutigen Prozessen und Strukturen an Grenzen. Vor diesem Hintergrund haben wir das Reformprojekt «rETHink» gestartet, um die Eigenverantwortung der Departemente sowie die Handlungsfähigkeit der ETH als Ganzes zu stärken.
Hochschulen müssen sich immer wieder neu erfinden. Unsere Beziehung zur Welt und zu Europa, unsere Rolle in der digitalen Transformation und schliesslich die Weiterentwicklung der eigenen Organisation: Herausforderungen, welche die ETH Zürich 2020 und darüber hinaus beschäftigen werden. Ihnen allen wünsche ich ein glückliches neues Jahr.