Editorial von SonntagsBlick-Chefredaktor Gieri Cavelty
Diese Grünen sind gekommen, um zu bleiben

Die grünen Parteien bekamen ihren Wahlsieg geschenkt. Das ist aber nur ein Teil der Geschichte: Grüne wie Grünliberale haben in den letzten Jahren solide Aufbauarbeit geleistet und vielversprechende Leute an sich gebunden. Die neuen Grünen sind gekommen, um zu bleiben.
Publiziert: 27.10.2019 um 00:20 Uhr
Gieri Cavelty

Der Mann wurde letzten Sonntag als Nationalrat abgewählt, darum soll sein Name an dieser Stelle unerwähnt bleiben – zum Schaden nicht auch noch Spott! Jedenfalls war Herr M. seinerzeit mit einer grossen SVP-Welle in den Nationalrat gespült worden. «Alles, was ich bin, habe ich Christoph Blocher zu verdanken», sagte er mir einmal. Und so stimmte er all die Jahre stets auf Parteilinie ab, sammelte daneben ein paar Pöstchen und machte im Übrigen wenig von sich reden.

Weiter zu berichten weiss ich von diesem braven Parteisoldaten noch eine Episode, die sich 2011 im Bundeshaus zugetragen hat. Nationalrat M. wollte jemanden anrufen. Immer verärgerter drückte er die Tasten, bis ihm jäh ein Licht aufging: Statt seines Handys hatte er die Fernbedienung des Hotel-Fernsehers eingesteckt.

15 Sitze gewann die SVP vor zwanzig Jahren auf einen Schlag hinzu, elf waren es 2003. Jetzt beschert die Angst vor dem Klimawandel den Grünen und Grünliberalen insgesamt gleich 26 zusätz­liche Nationalratsmandate.

Keine Frage: Die grünen Kräfte bekamen diesen Wahlsieg praktisch geschenkt. Das ist jedoch nur ein Teil der Geschichte: Grüne wie Grünliberale haben in den letzten Jahren solide Aufbauarbeit geleistet und vielversprechende Leute an sich gebunden.

Die Grüne Fraktion im Bundeshaus weiss neuerdings eine Roboterbauerin in ihren Reihen, eine Umweltingenieurin und Agronomin, die zugleich Bäuerin ist, einen ­Energieberater, eine alt ­Regierungsrätin ... Von den neu 16 Nationalratsmit­gliedern der Grünliberalen tragen sieben einen Doktorhut. Das heisst an sich natürlich nichts, eine Promotion macht keinen Politiker. Zumindest aber erkennt man hier grosse Ambitionen.

Der grünen Bewegung haftet seit ihren Anfängen in den 1980er-Jahren das Etikett an, welches ihr ein Nationalrat von der Konkurrenz damals verpasst hat: «Die Grünen kommen wie die Maikäfer und werden wieder verschwinden.»

Die neuen Grünen freilich – so viel lässt sich jetzt schon sagen – kommen nicht nach Bern, um bald wieder abzuschwirren. Sie kommen auch nicht, um nach Vorgabe eines Parteigenerals den Abstimmungsknopf zu drücken. Sie kommen mit der Absicht, unser Land nachhaltig zu verändern.

Was sich im Bundeshaus bereits am Wahltag verändert hat, ist der Ton. Man erinnert sich an die Kriegsrhetorik und die Drohungen, mit denen die SVP in den Jahren 1999 und 2003 einen zweiten Bundesratssitz eingefordert hat. Dass nun die Präsidentin der Grünen den grundsätzlichen Anspruch ihrer Partei auf einen Bundesratssitz anmeldet, ist nur selbstverständlich.

Das wirklich Bedeutsame ist die Art, wie Regula Rytz diesen Anspruch vorgetragen hat: Bestimmt, aber sanft im Ton. Ohne Machtgier, ohne Mackergehabe.

Die Tage der bellenden Parteigenerale und der kuschenden Parteisoldaten sind hoffentlich endgültig gezählt.

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