Der deutsche Philosoph Michael Schmidt-Salomon hat kürzlich ein Buch mit dem Titel «Entspannt euch!» publiziert. Möchte er uns in Zeiten von Corona ein Interview geben? Schmidt-Salomon sagt freundlich ab. Er schreibt: «Ich sehe mich momentan nicht in der Lage, gescheite (oder besser: hinreichend abgesicherte) Antworten auf die Frage zu geben, wie wir denn halbwegs entspannt durch die Corona-Krise hindurchkommen können.»
Was er damit meint: Corona tötet. Corona gefährdet Existenzen. Corona bringt alte Gewissheiten und Glaubenssätze ins Wanken.
Die Menschen sind verunsichert. Den meisten ist angst und bange – wenn nicht um sich selbst, dann wegen ihrer Angehörigen, ihrer Bekannten.
Gewerbetreibende wissen nicht, ob es ihr Geschäft Ende Jahr noch geben wird. Angestellte fürchten um den Arbeitsplatz.
Das Schweizer Gesundheitswesen, das uns stets als das beste der Welt verkauft wurde, entpuppt sich als unzulänglich. Es ist schlicht nicht gerüstet für eine Pandemie. Dabei fehlen nicht bloss Intensivpflegeplätze, um den befürchteten schnellen Anstieg von Patienten
mit schwerem Krankheitsverlauf zu bewältigen. Mancherorts mangelt es selbst an so banalen Dingen wie Abstrichstäbchen für Speichelproben.
Der Philosoph hat recht: Es gibt keinen Grund zur Entspannung.
Dass die Spitäler so schlecht auf den Seuchenfall vorbereitet sind, erschüttert das Vertrauen der Bürger in die Politik. Dieser Skandal muss nach der jetzt drohenden Corona-Katastrophe aufgearbeitet werden.
Zunächst aber gilt diese Devise: Meiden Sie, liebe Leserinnen und Leser, bitte Menschenansammlungen und bleiben Sie, wenn immer möglich, zu Hause! Das ist das Einzige, was all jene, die nicht im Gesundheitsbereich tätig sind, im Moment tun können, um den Schaden des Coronavirus möglichst gering zu halten.
Der Schutz vor Seuchen ist eine ureigene Staatsaufgabe. Lange vor Gründung der modernen Schweiz unterhielt jeder Kanton eine «Medicinalpolicey». Mit seinen aktuellen Massnahmen zur Eindämmung von Covid-19 nimmt der Staat also eine seiner grundlegenden Funktionen wahr.
Gleichwohl ist es wichtig, dass jeder Einzelne genau hinschaut, was gerade um ihn oder sie herum geschieht. Beispielsweise forderte am Dienstag der ansonsten sehr besonnene Chefredaktor einer Schweizer Tageszeitung die Armee dazu auf, in den Strassen für Ruhe und Ordnung zu sorgen.
So weit darf es nicht kommen. Die Schweiz hat sich die Freiheit, Solidarität und Mündigkeit ihrer Bürger auf die Fahne geschrieben. Auch unter Notrecht darf unser Land nicht zum Polizeistaat degenerieren. Selbst wenn ein solcher Militäreinsatz befristet wäre – er würde das Verhältnis zwischen Bürger und Staat ganz und gar zerrütten.
Vielleicht gelingt es Ihnen ja, Hannah Arendts Buch «Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft» online zu bestellen. Und dann in der langen Zeit der Zurückgezogenheit daheim zu lesen. Hannah Arendt beschreibt in diesem 1000 Seiten starken Klassiker der politischen Philosophie, welche fatalen Folgen die anfangs harmlos scheinende Verschiebung von Werten und Ansichten langfristig zeitigen kann.
Zumindest ein Stück weit können wir uns in Zeiten von Corona eben doch an eine Philosophin halten.