Für einen kurzen Moment war ich mir sicher: Helene Fischer ist ein Roboter. In der nach ihr benannten Show, die das Schweizer Fernsehen am 25. Dezember ausstrahlte, bot die Schlagerqueen einen Parforceritt durch das Repertoire der Unterhaltungs-industrie, geschmeidig choreografiert wie ein Werbespot: Helene Fischer tanzte, wechselte das Tenue, wirbelte mit einem Akrobaten durch die Luft, landete auf dem Boden, griff zum Mikrofon und sang. Der Körper perfekt, das Gesicht makellos. Und austauschbar wie eine Nespressokapsel. Eine Darbietung als antiseptische Maskerade – und als Kulminationspunkt des endenden Jahrzehnts.
Denn es ist vor allem ein englisches Adjektiv, das von dieser Dekade bleibt: «instagrammable». Instagramtauglich ist alles, was für den Fotofilter des Onlinedienstes geeignet ist. Instagram macht Augen grösser, glättet Falten und schönt Rundungen. Das Leben wird auf den Moment vor der Linse fixiert. Instagrammable kann ein weisser Sandstrand sein, ein Bergpanorama, ein Party-Selfie, ein Flug im Privatjet oder der Klimastreik. Auch die Rechtspopulisten sind auf den Zeitgeist getrimmt: Ihrer Haushaltspolitik fehlt zwar jegliche Kohärenz, dafür dienen Maximal-Forderungen dem kurzfristigen Effekt bei den Wählern – dem Moment vor der Linse.
Schein und Sein auch bei der Ernährung: In den sozialen Medien boomt die Foodfotografie – das Essen wird vor dem ersten Bissen abgelichtet und gepostet. Parallel dazu floriert der Home-Delivery-Markt: Für 1,2 Milliarden Franken bestellte die Schweiz 2018 Pizza, Burger oder Sushi – Tendenz stark steigend. Während das Arrangement auf dem Teller der Inszenierung für die Follower dient, werden für die Kalorienaufnahme dann doch lieber Pommes und Döner bestellt. Die neue Mode steht aber auch für ein besonderes Selbstbewusstsein. So meinte Helene Fischer nach ihrem synthetischen Duett mit Roland Kaiser: «Das klang wunderbar!»