«Der SonntagsBlick ist da! Zusammen mit dem Frühling. Ab heute gibt es diese Zeitung jeden Sonntag früh.»
So heiter begrüsste die Redaktion ihre Leserschaft am 23. März 1969 zum allerersten SonntagsBlick. Und weiter: «Das Weltgeschehen bleibt am Sonntag nicht mehr stehen. Eine ganztägige Informationslücke ist in unserer dynamischen Zeit, im Jahre der Monderoberung, nicht mehr zeitgemäss. Fernsehen und Radio kennen auch keine Sonntagspause. SonntagsBlick will zudem noch mehr als nur informieren: Er will an dem Tag, an dem mehr Ruhe, mehr Zeit zum Lesen vorhanden ist, die ganze Familie unterhalten.»
Markiert jener 23. März ein neues Kapitel in der Schweizer Geschichte? In jedem Fall platzte die erste Sonntagszeitung des Landes mitten in eine Phase des gesellschaftlichen Umbruchs – und ja: Sie gehörte zu den Treibern des Wandels.
Mitte der 1960er-Jahre meldeten sich die sogenannten Nonkonformisten zu Wort, junge Leute mit progressiven Ansichten über Gott und die Welt. An den Schalthebeln der Macht indes sassen die Väter und Grossväter: alte Patriarchen, Offiziere, die Verfechter der Geistigen Landesverteidigung.
Vieles geriet in Bewegung, doch wirklich geherrscht haben Ende der Sechzigerjahre nach wie vor: Engstirnigkeit und Mief.
Der SonntagsBlick war kein Kampfblatt der Nonkonformisten. Letztlich zog die neue Zeitung allerdings in die gleiche Richtung. Und zwar auf eine nachgerade subversive Weise: Der SonntagsBlick wandte sich an Herrn und Frau Normalschweizer – und hielt ihnen fröhlich, frivol und frech den Spiegel vor.
In der ersten Ausgabe finden sich gleich mehrere Artikel zum Thema Ehe. Viele Formulierungen sind schlüpfrig, das offenbarte Frauenbild ist unsäglich. Gleichwohl merkt man es den Beiträgen heute noch an, wie viel Frischluft sie in die muffigen Schweizer Stuben brachten.
Da wird die Leserschaft direkt angesprochen: «In den freien Stunden kommt Ihnen die ganze Leere Ihres ehelichen Zusammenseins zum Bewusstsein.» An anderer Stelle heisst es: «Nach vorsichtigen Schätzungen betrügen zwischen 80 und 85 Prozent der Schweizer Ehemänner ihre Frauen mindestens einmal während ihrer Ehe.»
Schärfer hätte man die Verwerfungen nicht aufzeigen können, jenen Graben zwischen propagierten Wertvorstellungen und gelebter Wirklichkeit.
Noch besser kommt es in der zweiten Ausgabe vom 30. März 1969. Hier wird gefragt: «Was ist eine Frau wert? Vor der Ehe, als Angebetete, als Liebhaberin: alles. Männer legen ihr die Welt und sich selbst zu Füssen. Sie kaufen Rosen und Juwelen. Nach der Hochzeit kann sich das ändern. Viele Männer betrachten dann das geliebte Wesen nur noch als billige Arbeitskraft.»
Auch das sass.
Endgültig gelöst sind die Fragen unseres Zusammenlebens bis heute nicht. Immerhin hat sich die Stellung der Frau in der Gesellschaft aber doch etwas verbessert.
Und der SonntagsBlick? So vieles ist jetzt anders als in jenen Märztagen 1969. Was sich freilich über all die Jahre erhalten hat, ist die unerschrockene Herangehensweise an die unterschiedlichsten Themen. Und den Anspruch, die Autoritäten im Land mitsamt ihren überkommenen Ansichten kritisch zu beleuchten – diesen Anspruch verfolgt der SoBli mehr denn je.