Der Bundesrat geht eine riskante Wette ein. Ab Montag ist es Restaurants wieder erlaubt, den Aussenbereich zu öffnen. Kinos und Theater dürfen 50 maskierte Zuschauer hereinlassen. Im Fitnessstudio können bis zu 15 Personen sogar ohne Mund-Nasen-Schutz schnaufen und keuchen, also ungehindert ihre Viren verbreiten.
Kein Wunder, fürchten Ärzte und Epidemiologen eine Wiederholung der Ereignisse vom Herbst. Damals steuerte die Schweiz sehenden Auges in die zweite Welle. Weil sich die Behörden nicht dazu durchringen wollten, Restaurants und andere öffentlich zugängliche Gebäude rechtzeitig zu schliessen, kursierte das Coronavirus praktisch ungehindert in der Bevölkerung. Auf dem Höhepunkt der Katastrophe tötete Corona täglich mehr als hundert Menschen.
Keine Frage: Der Bundesrat pokert erneut hoch, freilich ist nicht alles so wie im Herbst. Zunächst natürlich wegen der steigenden Temperaturen; wir halten uns zunehmend seltener in Innenräumen auf. Aber auch, weil mittlerweile ein Impfstoff existiert, der tröpfchenweise seinen Weg zu uns findet.
Und mit Blick auf alle Ungeimpften gibt der Bund den Kantonen viel Geld in die Hand, damit sie regelmässige Massentests an Schulen und in Betrieben durchführen. Auf diese Weise werden Covid-Infizierte ohne Symptome erkannt – bei den regelmässig Getesteten verringert sich das Risiko einer Covid-Erkrankung um das Fünf- bis Zehnfache.
Leider nur gibt es nach wie vor Kantone, die beim Impfen nicht so schnell sind, wie sie müssten und könnten. Ebenso gibt es Regierungsräte, die jede Teststrategie sabotieren. Da ist etwa die Zürcher Bildungsdirektorin Silvia Steiner. Der Mitte-Politikerin ist die Angelegenheit zu aufwendig, ausserdem fürchtet sie sich vor Protestaktionen coronaskeptischer Eltern. So überlässt sie es den einzelnen Schulkreisen, Massentests durchzuführen oder nicht. Die Folge ist, dass an den meisten Zürcher Schulen einfach gar nichts passiert.
Richtig verheerend ist Steiners Passivität, weil der bevölkerungsreichste Kanton naturgemäss besonders viele Schüler zählt, die das Virus in ihre Familien tragen können. Was die Verbreitung von Corona angeht, stünde Silvia Steiner ein ausgesprochen wirkungsvoller Hebel zur Verfügung – doch sie betätigt ihn nicht. Bedauerlich ist ihr Verhalten auch darum, weil Steiner als Präsidentin der kantonalen Erziehungsdirektoren mit gutem Beispiel vorangehen sollte.
Ja, der Bundesrat pokert hoch. Der Öffnungsentscheid ist nun aber gefällt. Da können sich die Silvia Steiners in diesem Land – man findet sie in Politik, Verwaltung, Firmen – nicht länger hinter fadenscheinigen Argumenten verstecken. Zum Beispiel hinter der Phrase, Massentests seien zu aufwendig. Das Gleiche gilt für die Impfungen. Kein Regierungsrat darf behaupten, sein Kanton sei eben gross oder die Logistik sei kompliziert. Derlei Ausreden waren schon vorher unhaltbar, jetzt gelten sie erst recht nicht mehr.
Ansonsten laufen wir in der Tat Gefahr, dass die Situation abermals eskaliert.