Aus in der Beziehung – Thomas Meyer rät
Eine Trennung ist eine Korrektur

Ich (w, 29) habe mich getrennt und bin nun der Buhmann, weil mein Ex-Freund sich überall als Opfer darstellt.
Publiziert: 14.12.2019 um 14:27 Uhr
Autor Thomas Meyer nimmt Stellung zu Lebensfragen.
Foto: Thomas Meier

Was Beziehungen anbelangt, unterliegen wir als Kollektiv einer Reihe von ziemlich neurotischen Glaubenssätzen: 1. Wenn zwei sich lieben, heisst das, dass sie perfekt zusammenpassen. 2. Die Liebe ist stärker als jeder Widerstand. 3. Nur der Tod kann und darf zwei Liebende trennen. 4. Endet eine Beziehung dennoch, hat einer der beiden Partner sie mutwillig kaputtgemacht und ist demzufolge ein schlechter Mensch.

Diese Überzeugungen sind einerseits Hollywood geschuldet, wo die Liebe als eine in jedem Fall glücklich herauskommende Heldengeschichte präsentiert wird, und andererseits der Kirche, die das Konzept von Schuld und Sünde über Jahrhunderte hinweg so leidenschaftlich in die Köpfe gehämmert hat, dass auch vollkommen unreligiöse Menschen entsprechende Ängste hegen und sich insgeheim permanent fragen, ob sie etwas falsch machen.

Wer sich trennt, gilt als herzlos und brutal

Vor diesem Hintergrund sind Sie nicht der Buhmann, weil Ihr Ex sich als Opfer stilisiert – sondern weil Sie sich überhaupt getrennt haben. Wer das tut, gilt als herzlos und brutal, und seine Beweggründe interessieren niemanden.

Wir brauchen daher dringend ein neues Weltbild. Eine Trennung darf nicht länger als Versagen und Scheitern angesehen werden. Sie muss als das akzeptiert werden, was sie ist: die Korrektur eines unhaltbar gewordenen Zustandes. Es darf auch nicht mehr von Belang sein, wer sich getrennt hat und wer verlassen wurde, weil damit nur eine Täter-Opfer-Rollenverteilung vorgenommen wird, die niemandem hilft, sondern alles nur schlimmer macht.

Wenn zwei sich trennen, sind beide traurig und traumatisiert, beide benötigen Unterstützung. Wenn Ihr Umfeld Sie stattdessen verurteilt und somit für Ihren Mut bestraft, handelt es sich nicht um einen Freundeskreis, sondern um einen Lynchmob, und Ihr Abschied sollte auch diesen einschliessen.

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