Aus dem Ideen-Labor ETH
Süsse Hightech-Versuchung

Joël Mesot ist Präsident der ETH. Der erste Romand in diesem Amt seit über 100 Jahren. In dieser Kolumne widmet er sich dem Hightech-Produkt Schokolade.
Publiziert: 14.04.2019 um 13:56 Uhr
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Aktualisiert: 11.05.2019 um 10:40 Uhr
Joël Mesot, Präsident der ETH Zürich.
Joël Mesot

Schokoladengenuss bis ins 19. Jahrhundert, das hiess, eine Kakaomasse mit bitterem Geschmack zu erwärmen und flüssig zu konsumieren. Dann entwickelte Daniel Peter 1875 in Vevey VD die Milchschokolade, indem er den Kakao mit Kondensmilch mischte. Wenig später liess der Berner Rodolphe Lindt seine Maschinen die Schokoladenmasse über das Wochenende rühren und erfand so das Conchieren, das die Schokolade zart schmelzend machte.

Innovationen wie diese haben Schweizer Schokolade zum Inbegriff von Qualität und Genuss gemacht. Eine schokoladenreiche Zeit steht uns mit Ostern bevor. Berge von Schoggi-Hasen dürften in den kommenden Tagen vertilgt werden. Aber auch die restlichen Tage im Jahr naschen wir Schweizerinnen und Schweizer fleissig Süsses und sind mit einem Pro-Kopf-Konsum von 10,3 kg Schokolade europäische Spitze. Und ich gestehe, in Bezug auf den Schokoladenkonsum bin ich ein Musterschweizer.

ETH-Knowhow in der Schokolade

Ich erzähle diese Geschichte nicht, um Ihnen meine Schwäche für Süsses zu offenbaren, sondern weil ich über einige Beiträge der ETH berichten möchte, die mit dem Kakaoprodukt zu tun haben. So bildete sich früher auf Schokolade, die nicht richtig gelagert wurde, oft eine weissgräuliche Schicht, der Fettreif. Diesem haben ETH-Forschende – auf der Grundlage von Röntgenbeugungs-Experimenten zur polymorphen Kakaobutter-Kristallisation am Paul Scherrer Institut – Anfang der 2000er-Jahre den Garaus gemacht. Oder dass die roten und schwarzen Schokoladenkugeln eines Schweizer Herstellers auf der Zunge so zart schmelzen, ist ebenfalls ETH-Knowhow mit zu verdanken. Heute is(s)t man linienbewusster als früher, und so sucht die Industrie nach Lösungen, um Schokolade zu produzieren, die gut schmeckt, aber gleichzeitig kalorienärmer ist.

In den ETH-Labors arbeitet man an dieser schokoladentechnischen Quadratur des Kreises. Der Trick, den man anwendet, besteht darin, Wassertröpfchen oder Gasbläschen in die Schokolade einzubauen. Damit hat man weniger Energiedichte pro Volumen: Eine gleich grosse Tafel Schokolade hat folglich weniger Kalorien. Schliesslich gibt es immer wieder Verbesserungen bei der Herstellung von Schokolade. Das wirkt sich nicht immer direkt auf deren Qualität aus, optimiert aber die Art, wie diese produziert wird. Solche Verbesserungen stärken die Wettbewerbsposition der Schweizer Schokoladenindustrie auf dem Weltmarkt. Dieser Gedanke stand am Anfang des Arbeitskreises Schokoladentechnik, den ETH-Lebensmittelingenieur Erich Windhab mit Industriefirmen und KMU vor 25 Jahren ins Leben rief.

Das Exportgeschäft mit der Schokolade

Aus diesem Arbeitskreis sind 17 Patente, 28 Forschungsprojekte und internationale Auszeichnungen wie der European Food Tec Award hervorgegangen. Schweizer Schokolade ist somit nicht nur ein Premium-, sondern auch ein Hightech-Produkt, das 2018 im Exportgeschäft fast eine Milliarde Franken Umsatz einbrachte. Übrigens, wenn Sie für jede Erwähnung des Wortes Schokolade im Text – 20-mal! – eine Kniebeuge machen, haben Sie (fast) so viel Kalorien verbrannt, dass Sie sich eine Tafel Ihrer Lieblingsschokolade verdient haben. Ich korrigiere: 21-mal.

Ihr Joël Mesot

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