Artikel über Wirtschaft sind eine Welt, in der ich persönlich oft nicht vorkomme. Ich lese sie gerne, aber selten ist zu ihnen eine Frau abgebildet. Also versuche ich es in meinen eigenen Sendungen und Texten besser zu machen.
Jüngst wollte ich das Thema Aktienrückkäufe bebildern. Aber wie? Untersuchungen zeigen, dass sich viele CEOs mit der Methode selber bereichern. Also einen Menschen mit viel Geld zeigen? Am besten zwei Menschen, Frau und Mann, alt und jung, kulturell verschieden. Aber im Bildarchiv finde ich nur Männerhände, die sich an Geldbündeln zu schaffen machen. Mit Suchworten wie «Frauen und Geld» lande ich dann nicht in der Chefetage, sondern im Bordell.
Willkommen in der Welt der Bilderdatenbanken, der Stock-Fotos – der Welt der Klischees und Karikaturen. Den Milliarden-Markt beherrschen Bildagenturen wie Getty, Shutterstock oder Adobe Stock. Das Geschäft mit Symbolbildern ist explodiert. Global wächst es um fünf Prozent pro Jahr. Eine der wenigen Forscherinnen auf diesem Gebiet, Giorgia Aiello von der Universität Leeds, kritisiert, dass die Bilder in den Händen einiger weniger Konzerne und dafür verantwortlich sind, wie wir die Welt sehen.
Als TV-Frau weiss ich, wie mächtig Bilder sind. Menschen reagieren am meisten auf Bilder, in die sie sich hineinversetzen können. Sie wollen sich selber wiederfinden. Rollenmodelle beeinflussen uns entscheidend.
Zurück in meine tägliche Praxis: Wie illustriere ich eine Geschichte über Krypto-Währungen, mit der ich auch Frauen ansprechen will? Eine Frau mit Bitcoin? Gibt es nicht. Eine Traderin? Gibt es auch nicht. Fazit: Ich kann bei ganz vielen Wirtschaftsthemen Frauen nicht abbilden und ansprechen. Sheryl Sandberg’s Organisation LeanIn.org setzte sich bereits vor Jahren dafür ein, dass auch Frauen und Mädchen in Machtposen auf Getty zu finden sind. Oft waren sie dann leider ebenfalls überzeichnet.
Bei den Bildern zu Start-ups gibts dafür ein anderes Klischee: nur Bilder junger Hipster, obwohl Gründerinnen und Gründer im Schnitt 43 Jahre alt sind. Auch da arbeitet Getty jetzt auf Druck der amerikanischen Gesellschaft für ältere Amerikaner, AARP, an Fotos, die das Alter zeitgemässer und positiver darstellen.
Den Giganten der Symbolbilder wird allmählich Beine gemacht. Auch etwa weil das Medienhaus Vice unter Broadly kostenlos Bilder zur Verfügung stellt: von Menschen, die sich nicht einem Geschlecht zuordnen lassen. Suchanfragen wie «echte Menschen» oder «starke Frauen» haben sich letztes Jahr verdreifacht. Der Suchbegriff «Vater und Baby» hat sich verdoppelt. Noch vor kurzem wurden Väter unfassbar klischiert dargestellt, meist bei reinen Buben-Aktivitäten nur mit Jungs.
Auch «Geschäftsleute» gibt es inzwischen in bunt gemischten Gruppen. Oft sind aber die Frauen dabei bewundernde Zuhörerinnen und Zuschauerinnen. Es spielt eben nicht nur eine Rolle, was gezeigt wird, sondern auch wie. Ich habe genug von diesen Rockstar-Groupie-Fotos. Ich kann die Klischees nicht mehr sehen. Und viele Kundinnen auch nicht mehr.
Aber anscheinend können immer noch zu viele Firmen auf Kundinnen verzichten. Da warb kürzlich ein Schweizer Finanzdienstleister mit Lösungen für Unternehmen – und zeigte nur Männer. Keine Unternehmerin wird sich angesprochen fühlen. Bilder sind wichtig. Nicht nur im Marketing, sondern auch beim Rekrutieren – und natürlich in den Medien. Medienmacherinnen und Medienmacher, nehmt eure Verantwortung wahr und wählt klischeefreie Bilder! Bilder können die Welt verändern. Zumindest unser Bild von ihr. #aufbruch
* Patrizia Laeri (42) ist Wirtschaftsredaktorin und -moderatorin von «SRF Börse» und «Eco» sowie Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ. Sie schreibt jeden zweiten Mittwoch für BLICK.