Früher hiess dies im Lebenslauf klassisch EDV-Kenntnisse. So weit so gut, heutzutage verlangt die Firmenwelt aber noch den Digital Mindset. Was wiederum nichts anderes heisst, als offen sein für Wandel und neue digitale Arbeitsformen. Das ist auch alles längst bei den Arbeitnehmern angekommen. Wer mithalten will, muss sich digital bilden oder gleich umschulen lassen zu einem neuen Beruf. Wer beispielsweise mit der neuen digitalen Datenflut etwas anzufangen weiss, ist gefragt. Seien es Daten-Journalisten, Daten-Analytikerinnen: Datenberufe haben Zukunft. So finden es denn auch mehr als 80 Prozent der Angestellten zwingend, die eigenen Fähigkeiten zu verbessern, zeigen Umfragen.
Ganz anders an der Spitze der Wirtschaftswelt. Die kann mit den Angestellten nicht mithalten. Das VR-Ranking zeigt: Mehr als die Hälfte der Verwaltungsräte hat gar keine Digitalkompetenz. Das muss an sich nicht schlimm sein, es braucht auch viel Rechtsexpertise, Branchenwissen und Führungserfahrung – aber eben auch diese gewisse Offenheit und Neugier auf digitale Themen. Digitaler Mindset an der Spitze? Fehlanzeige. Mehr als die Hälfte der Schweizer Verwaltungsratspräsidenten finden, dass digitale Fähigkeiten im obersten Strategie-Gremium gar unwichtig seien. Das zeigt eine aktuelle Studie der Universität St. Gallen. Jene, die das Sagen haben, die dem Jetzt voraus sein sollten und das Morgen bestimmen, tun digitale Weitsicht als überflüssig ab. Verstörend, denn anders als der Aufsichtsrat in Deutschland übt der viel besser besoldete Verwaltungsrat in der Schweiz nicht nur die Aufsicht aus, sondern verantwortet auch die Strategie. Digitalisierung ist ein Strategiethema. Die Schweiz hält also trotz rasanter Umwälzungen an einer traditionellen unterdigitalisierten Spitze fest. In Hongkong, Japan oder Schweden haben Firmen derweil dem Roboter-Verwaltungsrat, sprich künstlicher Intelligenz, gar einen eigenen Sitz in der Leitung eingeräumt.
So weit ist man hier noch lange nicht. Nicht mal jüngere Menschen haben Zugang zum Verwaltungsrat. Auch die Studienautoren staunen: Nach wie vor sind nur gerade 10 Prozent der Verwaltungsräte in Schweizer KMU jünger als 40 Jahre, ein Drittel ist 60 Jahre alt oder älter. Diese sind analog aufgewachsen. Das klingt eher nach «weiter wirtschaften wie bisher» statt «Geschäftsmodelle neu denken». Die HSG-Studie zeigt: Sitzt hingegen eine junge Frau bis 39 Jahren im Verwaltungsrat, dann ist die Firma digital fortschrittlicher. Die globalen Headhunter Amrop und andere internationale Studien kommen zum gleichen Schluss: Verwaltungsräte mit mehr Frauen sind auch digital fitter. Sie sind aufgeschlossener gegenüber neuen Ideen und Andersdenkenden. Zurzeit sind die Hälfte der Gremien aber reine Männerklubs. Heikel auch, dass sich nur gerade 13 Prozent der Verwaltungsräte mit digitaler Ethik beschäftigen. Sie fragen also kaum nach, wie die gesammelten Kundendaten genau verwendet und geschützt werden. Ob falsch programmierte Algorithmen diskriminieren und wie gut die Qualität der Daten ist. Gleichzeitig hat Amrop aufgedeckt, dass der Abstand zwischen Technologiefirmen und dem Rest wächst. Die digitalen Fähigkeiten in Tech-Verwaltungsräten sind neunmal höher.
So viel Technologie-Ignoranz auf oberster Ebene verheisst nichts Gutes. Es zeigt, dass sich die Spitze Neuem, Innovativem nicht öffnet. Genau das wäre jetzt aber gefragter denn je. Jetzt, wo die Corona-Krise Kunden und Mitarbeiter zehn Jahre digital in die Zukunft katapultiert hat. Gerade Firmen an der Börse sind einem harten internationalen technologischen Wandel ausgesetzt. Einen digital rückständigen Verwaltungsrat kann sich nach Corona niemand mehr leisten. Nun die Chance packen und neue digitale Köpfe führen lassen. #aufbruch
*Patrizia Laeri (42) ist Wirtschaftsredaktorin und -moderatorin von «SRF Börse» und «Eco» sowie Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ. Sie schreibt jeden zweiten Mittwoch für BLICK.