Demonstrieren gehört in den westlichen Demokratien zu den Minderheitsrechten, und das ist gut so. Es gibt bewilligte und unbewilligte Demonstrationen, und es gibt Leute, die sich daran halten und andere nicht. Demos an der frischen Luft fördern auf jeden Fall die Gesundheit, und als Datingplattform sind sie nicht zu verachten.
Beliebt, weil kaum kontrovers, sind Demos gegen Diktatoren, wobei man sich manchmal fragt, wieso in der friedlichen Schweiz demonstriert wird und nicht am Tatort im Nahen Osten oder in Südamerika. Oder haben uns die Medien verschwiegen, dass all diese Despoten in Wahrheit in luxuriösen Apartments an der Zürcher Goldküste leben? Auf jeden Fall käme kein Schweizer Student auf die Idee, in Burkina Faso für eine fleischlose Kantine zu demonstrieren.
Trotzphase ohne Ende
Leider schleichen sich bei vielen friedlichen Demos selbsternannte Antifaschisten ein, die mit faschistischen Methoden Gebäudereinigern, Glasereien und Autowerkstätten neue Aufträge beschaffen. Dass Pubertierende ab und zu Dampf ablassen, ist hormonell bedingt und ziemlich normal. Aber wenn die Trotzphase auch im fortgeschrittenen Alter anhält, liegt es wohl an einem unterentwickelten Verständnis für den demokratischen Rechtsstaat.
Um Frust abzubauen, gäbe es durchaus friedliche Alternativen wie Marathonlaufen, Masturbieren im Lift, Rauschsaufen oder Singen im Wald.
Den Protestierenden bei unbewilligten Demonstrationen ist meistens egal, ob Verkehrsknotenpunkte blockiert, Arbeitswillige im Stau stehen oder der Infarktpatient in der Ambulanz «I did it my way» singt.
Macht es wie die Olympioniken!
Kreative Lösungen sind gefragt. Die vorbildlichsten Kundgebungen sind jeweils der Einmarsch der Athleten bei der Eröfffnung der Olympischen Spiele. Da Fussballstadien nicht ausgelastet sind, könnten sie zeitweise als Demostadion genutzt werden. Publikum wäre im Buchungspreis inbegriffen. Veranstalter von Kaffeefahrten könnten dafür gewonnen werden, die Kundschaft ins Stadion zu fahren. Auf den Totomat-Displays könnte Werbung für Heizkissen, Jägermeister und solarbetriebene Rollatoren geschaltet werden, Kaffee und laktosefreier Kuchen wären umsonst – eine klassische Win-Win-Situation. Wäre dieser Vorschlag nicht eine Demo wert?
Claude Cueni (63) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK. Am 29. November erscheinen seine ersten 50 BLICK-Kolumnen als Buch.