Für die SVP-Führung ist das Abkommen mit der EU ein «Kolonialvertrag». Der Chefideologe unterstellt dem Bundesrat, er strebe heimlich den Beitritt zur EU an. Wohl mit einem Staatsstreich. So weit sind wir also. Die stärkste Partei im Land macht Politik in der Geisterbahn, als ob der Bundesrat eine Verschwörerbande wäre.
Die Gewerkschaften lehnen das Abkommen ab. Es fehlt die Lohnschutzgarantie. Müssen sie. Sonst bräuchte es sie gar nicht.
Parteisoldat oder Bundesrat?
Die «Denkfabrik Foraus», so ihre Visitenkarte, macht zum Lohnschutz neue, hochinteressante Vorschläge. Gewerkschaftsboss und SP-Nationalrat Corrado Pardini müsste sie gelesen haben. Bevor der mit Christoph Blocher das EU-Abkommen in der Fernseh-«Arena» versenkt. Das wichtigste Abkommen mit dem wichtigsten Handelspartner.
Das wäre die Stunde des zuständigen Wirtschaftsministers Guy Parmelin. Er sollte die Sozialpartner von Wirtschaft und Gewerkschaften an den runden Tisch zitieren. Um das Problem Lohnschutz zu lösen. Nur müsste er handeln. Seine Partei ist zwar zufrieden, wenn er das EU-Dossier schubladisiert. Parmelins Problem: Ob er Parteisoldat ist, oder ob er nach seiner Flucht aus dem Militärdepartement doch noch Bundesrat wird. Ueli Maurer kann ihn da beraten.
Die FDP-Fraktion sagt ohne Vorbehalte Ja zum EU-Abkommen. Obschon es nur so von Einwänden hagelt. Selbst der Bundesrat hat sich noch nicht entschieden. Er schweigt in allen Landessprachen.
Im allerletzten Moment
Die CVP sagt «Ja, aber …». SP und Grüne sind für ein Ja zum Abkommen und Ja zum Lohnschutz. Alle vier fordern unbedingt weitere Gespräche mit der EU. Es bestehe Nachholbedarf.
Ein vernünftiges Verhältnis zur EU ist unerlässlich. Zwei Drittel des Aussenhandels gehen über sie. Die Ausgangslage ist allerdings schlecht. Die SVP ist eine sichere Bank für das Nein. FDP, SP, CVP und Grüne müssen sich zusammenraufen, um bei der Volksabstimmung eine Chance zu haben.
Peter Bodenmann meinte mal, schweizerische Politik habe, wenn oft erst im allerletzten Moment, die Kurve noch immer geschafft. Übrigens: Demokratie garantiert, dass wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen.
Helmut Hubacher (92) war von 1975 bis 1990 Präsident der SP Schweiz. Er schreibt jeden zweiten Mittwoch im BLICK.