Kolumne «Alles wird gut» von Ursula von Arx
Sexuelle Ordnungsfanatiker

Hetero, Homo, Bi, Transgender – es gibt Dutzende von Nuancen sexueller Identität. Bloss niemanden diskriminieren! Doch es gibt gute Gründe, allergisch auf das Wort «Identität» zu reagieren.
Publiziert: 24.02.2019 um 23:12 Uhr
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Ursula von ArxJournalistin und Buchautorin

Auch für den 38-Jährigen, der kürzlich beim Sex mit einer Eselin ertappt wurde, gibt es eine begriffliche Zuordnung: Dieser Mann ist zoophil. Wirkt das beruhigend?

Begriffe für sexuelle Orientierungen sind nichts Neues. Die Einteilung der Menschen in Homosexuelle und Heterosexuelle wurde im 19. Jahrhundert erfunden. Der Irrenarzt Richard von Krafft-Ebing definierte Homosexualität als erbliche Nervenkrankheit.

Etwas für jeden, jede, jedes

Heute sind jede Menge Differenzierungen hinzugekommen. Und aus Namen von Krankheiten wurden mit Stolz getragene sexuelle Identitäten. Es soll sich endlich auch wirklich jeder, jede und jedes in seinem sexuellen Sosein anerkannt fühlen. Die von Diskriminierungssensiblen oft verwendete Abkürzung LGBT (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender) ist nur eine karge Einstimmung auf die sechzig Nuancen sexueller Identität, die Facebook anzubieten hat.

Alles so schön bunt hier. Ist das nicht prima? In manchen Milieus wird derart funkelnd und beharrlich für die Sichtbarmachung von bisher eher untergründig wahrgenommenen Begehrens- und Daseinsformen getrommelt, dass man den Eindruck gewinnen könnte, es sei existenziell, sich eine sexuelle Identität zuzulegen. So eine muss man heute haben, selbst wenn man keinen Sex hat.

Achtung, Identität!

Dabei scheint vergessen zu gehen, dass es gute Gründe gibt, geradezu allergisch auf das Wort «Identität» zu reagieren. Im Namen nationaler, ethnischer, religiöser, kultureller oder auch sexueller Identitäten gingen Menschen aufeinander los wie freigelassene Kettenhunde. Zu Identitäten gehört es, seit man sie erfunden hat, dass sie als minder- und höherwertig eingeteilt werden.

Genau das soll heute anders sein. Der Furor der sexuellen Identitäten soll niemanden ausgrenzen, sondern die ins Licht heben, die lange nicht nur nicht beachtet, sondern verachtet wurden. Identität neu als Motor für Vielfalt statt Einfalt. Kann das klappen?

Kästchen zum Ankreuzen

Transgender oder Agender oder Genderqueer sind auch nur Kästchen zum Ankreuzen. In einem Kästchensystem für Eingeweihte. Und da schmoren sie dann, die Gleichgesinnten, in der grösstmöglichen Eintracht. In ihrer schönen, aufgeräumten Welt. Nichts für Ordnungsallergiker. Alles – hatschi – wird gut.

Ursula von Arx kann als Cis-Frau leicht von sich behaupten, dass sie auf das grosse Angebot sexueller Identitäten problemlos verzichten könnte. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.

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