Kolumne «Alles wird gut» von Ursula von Arx
Gibs auf!

Männerversteher Jordan B. Peterson und Aufräumerin Marie Kondo wollen Ordnung in die Welt bringen. Dumm nur, dass Perfektion nach immer noch mehr Perfektion schreit und Kontrolle schnell im Wahn endet.
Publiziert: 11.03.2019 um 13:34 Uhr
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Ursula von ArxJournalistin und Buchautorin

Alles in Ordnung? Wenn nicht: Sie sind nicht allein. Viele leiden unter dem Gefühl, die Welt wachse ihnen über den Kopf.

Wie sonst würden Millionen nach den Tipps des kanadischen Männerverstehers Jordan B. Peterson oder der japanischen Aufräumfee Marie Kondo verlangen? Deren labende Lehren werden aufgenommen wie eine Hostie, in der Hoffnung auf Stärkung des Seelenheils.

Beide versprechen uns in ihren Mega-Bestsellern «12 Rules For Life» (Peterson) und «Magic Cleaning» (Kondo) die Rückgewinnung der Kontrolle über unser Leben. Der Weg dahin? Ganz einfach: Aufräumen!

Eine Frau für jeden

Peterson ist dabei der Fürsprecher aller Männer, die sich nach «Ordnung und Struktur» (männlich konnotiert) «in einer chaotischen Welt» (weiblich) sehnen. Um etwa das Gerangel auf dem Paarungsmarkt zu zähmen, das viele Männer chancenlos zurücklasse und also zu Frust, unfreiwilliger Enthaltsamkeit und Gewalt gegen Frauen führe, schlägt Peterson vor, den Druck zur Monogamie zu verstärken. Eine Frau pro Mann, so würde jeder eine kriegen und alle Kinder – netter Nebeneffekt – würden in intakten Verhältnissen aufwachsen.

Marie Kondo hält ähnlich eingängige Lösungen bereit: Mit dauerlächelnder Bestimmtheit leitet sie uns in der Netflix-Serie «Aufräumen mit Marie Kondo» an, unsere Umgebung nach unserem Willen zu gestalten. Wobei einer aufgeräumten Wohnung – Simsalabim – automatisch ein aufgeräumtes Gemüt folge, so das magische Kondo-Credo.

Die Socke als Schwarze Witwe

So weit, so gut. Wobei man bedenken sollte, dass eine herumliegende Socke in einem normalen Raum kaum auffällt, in einem kondoisierten hingegen wirkt sie wie eine Schwarze Witwe auf einer Hochzeitstorte. Psychologen sprechen vom «Paradox der Kontrolle»: Egal, wie perfekt etwas ist, es könnte immer noch perfekter sein. Und je mehr wir kontrollieren wollen, desto stärker haben wir das Gefühl, die Kontrolle entgleite uns, desto strenger kontrollieren wir – und gehen verloren im Kontrollwahn und verlieren damit das wenige, das wir kontrollieren könnten: unsere Lockerheit nämlich. Unsere Lockerheit gegenüber einer Welt, die ist, wie sie ist: nicht kontrollierbar.

Glücklich also, wer zu entspannen vermag. Und zu geniessen. Denn für das, was das Leben ausmacht, ist Durchblick weder möglich noch nötig. Alles wird gut. 

Ursula von Arx hat Kinder, die das Anti-Kondo-Prinzip verinnerlicht haben: Je weniger ich aufräume, desto glücklicher bin ich. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.

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