Kolumne «Alles wird gut»
Unfähig, männlich, Chef

Kolumnistin Ursula von Arx fragt sich, warum so viele unfähige Männer Führungspositionen erklimmen. Und was sich dagegen tun lässt.
Publiziert: 20.05.2019 um 07:36 Uhr
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Ursula von Arx, Journalistin und Buchautorin.
Foto: Thomas Buchwalder
Ursula von Arx

Es gibt viele Menschen, die nicht so fähig sind, wie sie selber denken. Die sogar richtiggehend unfähig sind, sich jedoch für sehr fähig halten.

Vertreter dieser Spezies kennen Sie bestimmt. Wahrscheinlich haben Sie nicht nur mit ihnen gearbeitet, sondern sogar für sie oder unter ihnen. Denn sie sind oft Chef. Unfähig, männlich und Chef – die Kombination ist kein Zufall. Die Kombination hat System.

Für Männer gibt es zu wenige Hindernisse

Das hat der Organisationspsychologe Tomas Chamorro-Premuzic festgestellt und darüber ein Buch geschrieben. «Why Do So Many Incompetent Men Become Leaders?», fragt er im Titel: Warum werden so viele inkompetente Männer Chefs?

Wegen des verbreiteten, frauenfeindlichen Sexismus? Nicht nur. Für Chamorro-Premuzic gibt es nicht zu viele Karrierehindernisse für Frauen, sondern zu wenige für Männer.

Es versagen unsere Selektionskriterien. Wir haben ein falsches Bild von Führungsstärke. Am Ende werden regelmässig diejenigen auf den Chefsessel gehievt, die mit ihrem übersteigerten Selbstbewusstsein, ihrer Selbstbewunderung, ihrem Narzissmus zu blenden vermögen. Und das sind häufig Männer.

Sie kümmern sich nur um sich und nicht um ihre Untergebenen. Sie gehen sinnlose Risiken ein, weil sie ihre Grenzen nicht kennen. Sie lösen bei ihren Untergebenen Stress, Burn-out und tiefe Motivation aus. Und führen ein Unternehmen oder ein ganzes Land immer tiefer in die Krise.

Selbstbewusstsein ist grösser als die Kompetenz

Wenn wir solche Chefs wählen, verwechseln wir «confidence» (Selbstbewusstsein) mit «competence» (Kompetenz). Wir vermuten, dass Selbstbewusste besser führen können als weniger Selbstbewusste. Was nicht stimmt: Ein eingebildetes Talent ist leider kein tatsächliches.

Was also tun? Frauen (und Männer, die nicht ins Stereotyp passen) auffordern, sich mehr wie die inkompetenten Bosstypen zu verhalten? Sollten wir alle mehr Zeit mit der Verfolgung eigener Interessen und der Imagepflege verbringen?
Nein.

Wenn wir kompetentere Chefs wollen, müssen wir unsere eigene Kompetenz verbessern, kompetente Chefs zu wählen – vor allem wenn es Männer sind. Und alles wird gut.

Ursula von Arx hatte nicht nur schlechte Chefs. Der kompetenteste, unter dem sie je gearbeitet hat, war streng, gerecht, klug, empathisch, lustig – und eine Frau. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im Blick.

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