Dieses Wochenende finden die jährlich wiederkehrenden Europäischen Tage des Denkmals statt. Auch in der Schweiz sind heute verschiedene Bauwerke öffentlich zugänglich, wo wir in altehrwürdigen Räumen mit Fachleuten zum diesjährigen Thema «Weiterbauen» diskutieren können. Wie sollen wir mit dem Erbe aus vergangenen Zeiten umgehen? Was dürfen wir baulich verändern?
Das Denkmal hat gemäss Duden zweierlei Bedeutung: Es ist ein «erhaltenes (Kunst-)Werk, das für eine frühere Kultur Zeugnis ablegt» wie zum Beispiel die heute geöffneten historischen Häuser in der Schweiz; aber in erster Linie ist es eine «zum Gedächtnis an eine Person oder ein Ereignis errichtete, grössere plastische Darstellung».
Diese personalisierten Monumente sind es, die in den letzten Monaten weltweit für hitzige Diskussionen sorgten – seien es Reiterstatuen von Rassisten im Süden der USA, der kolonialistische König Leopold II. (1835–1909) von Belgien oder der Schweizer Wirtschaftsführer Alfred Escher (1819–1882), umstritten wegen seiner Rolle bezüglich sklavenbetriebener Kaffeeplantagen auf Kuba.
Wenn die Europäischen Tage des Denkmals ihrem Namen voll gerecht werden wollen, müssen sie diesen Hauptaspekt zumindest einbeziehen. Und wann wäre die Gelegenheit grösser als jetzt, um über die in Stein gehauene und Bronze gegossene Dominanz alter Herren auf Sockeln zu diskutieren?
Es geht nicht darum, all diese Säulenheiligen zu schleifen. Denn wie schrieb kürzlich der Schweizer Historiker Thomas Maissen (57) in der «Weltwoche»: «Progressive müssen es aushalten, wenn im öffentlichen Raum Personen geehrt werden, deren Charakter oder Taten nicht tadellos sind.» Als Mahnmal bleiben sie so im historischen Bewusstsein. Sonst heisst es schnell mal: Aus dem Augen, aus dem Sinn.
Andererseits könne sich das Denkmal heute nicht mehr auf männliche Kriegshelden beschränken, so Maissen weiter, es müsse vielmehr Frauen und Vertreter von Randständigen einschliessen. Wo bleibt ein Denkmal für Katharina von Zimmern (1478–1547), die letzte Zürcher Äbtissin, die Zwinglis Reformation erst ermöglichte? Bei dem abstrakten Quader aus 37 Kupferblöcken im Kreuzgang des Fraumünsters denkt wohl niemand an die tapfere Frau.
Ironischerweise mussten die Veranstalter der diesjährigen Europäischen Tage des Denkmals ausgerechnet den einzigen Anlass vor einem weiblichen Denkmal coronabedingt absagen: «Helvetia auf Reisen» der Berner Bildhauerin Bettina Eichin (78) an der Mittleren Brücke in Basel hätte der Ort für unterschiedliche Blickwinkel auf die gebaute Stadt sein sollen.
Und wenn es die Organisatoren doch mal schaffen, einen Anlass vor einer Gedächtnisstätte zu veranstalten – wie 2011 vor dem Luzerner Löwendenkmal, das zu Ehren der 1792 beim Sturm auf die Pariser Tuilerien gefallenen Schweizer Söldner entstand –, präsentieren sie dort lieber den 30 Meter langen, begehbaren Entwässerungsstollen.
Gewiss, die Veranstalter der Europäischen Tage des Denkmals sind bei uns kantonale Denkmalpfleger, die sich mit dem Erhalt von Baudenkmälern beschäftigen. Aber wenn sie sich schon nicht brennenden Fragen rund um Personenstatuen stellen wollen, sollen sie diese Tage European Heritage Days nennen, wie sie im Englischen heissen. Zu Deutsch etwa: Europäische Tage des gebauten Erbes. Den Titel Tage des Denkmals haben sie nicht verdient.