Frank A. Meyer – die Kolumne
Verfolgte Unschuld

Publiziert: 05.05.2019 um 11:55 Uhr
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Aktualisiert: 06.05.2019 um 14:49 Uhr
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Frank A. MeyerPublizist

Es gibt keinen Zweifel, dass die UBS gut geführt ist. Womöglich sogar besser denn je – zumindest in den vergangenen zwanzig Jahren. Es gibt daher auch keinen Zweifel, dass Group Chief Executive Officer Sergio Ermotti zusammen mit Verwaltungsratspräsident Axel Weber die richtigen Figuren an der Spitze der Bank sind.

Es gibt jedoch berechtigte Zweifel, dass die Bosse verdienen, was sie verdienen: Ermotti 14,1 Millionen Franken, Weber rund 6 Millionen im Jahr.

Solche Summen kann man gar nicht verdienen, begreift man die Arbeit der beiden als Dienen. Die Hälfte wäre immer noch mehr als fürstlich. Jede fähige Krankenschwester in der Intensivstation leistet, was die Bankenbosse leisten, betrachtet man deren Tun einfach mal als Arbeitseinsatz. Die Fachkraft im Krankenhaus trägt sogar für Menschenleben Verantwortung. Geldmanager tragen goldene Fallschirme.

Seis drum, Ermotti und Weber verstehen ihr Metier. Der Tessiner hat es von der Pike auf gelernt; der deutsche VR-Vorsitzende ist ein gesellschaftspolitisch kultivierter Kopf, gebildet wie kaum ein anderer Banker. Die UBS kann sich mit ihrer Spitze international sehen lassen.

Dennoch verweigerten die Aktionäre dieser Führung die Entlastung – ein Ereignis mit Sensationswert!

Unbehagen ist in die Bank-Besitzer gefahren, weil die UBS in Frankreich Ende Februar ­erstinstanzlich zu einer Busse von 3,7 Mil­liarden Euro und zu Schadenersatzzahlungen von 800 Millionen Euro verurteilt wurde. Sie soll französische Bürger durch eigens eingereiste Sendboten dazu verführt haben, ihr Geld bei der UBS vor dem französischen Fiskus in Sicherheit zu bringen – um Steuern zu hinterziehen.

Das klingt in Schweizer Ohren nicht neu, war dies doch das grosse Geschäft, das die helvetischen Finanzinstitute mit Fleiss betrieben, bis internationaler Druck der lukrativen Praxis Einhalt gebot. Der Prozess in Frankreich zählt zum Erbe aus jener Ära.

In einem BLICK-Interview reagierte Sergio Ermotti mit der Beteuerung: «Im Fall Frankreich hat die UBS zu keinem Zeitpunkt Schweizer Recht verletzt.»

Dieser Satz entbehrt jeder Logik: Sollten Vorwürfe der französischen Justiz zutreffen, hat die UBS in Frankreich naturgemäss französisches Recht verletzt. Was soll da die Beteuerung von Unschuld nach Schweizer Recht?

Der Satz liefert den Schlüssel zum schweizerischen Selbstverständnis, wie es der Finanzplatz generationenlang praktizierte: Schweizer Recht ist unser einziges Recht und bleibt auch dann Recht, wenn andere Nationen anderes Recht – ihr eigenes – geltend machen.
Die absurde Rechtsauffassung lag auch dem unerschütterlichen Unschuldsgefühl zugrunde, mit dem die Schweiz ihr Bankgeheimnis auf der Weltbühne verteidigte.

Schweizer Recht war ­Weltrecht. Das Recht der anderen fremdes Recht, ­gesprochen von fremden Richtern. Die Schweiz die ­verfolgte Unschuld vom ­Alpenland.

Beschwingt von solch pa­triotisch befestigter Borniertheit, liess sich die Plünderung fremder Steuerkassen ohne Skrupel bewerkstelligen. Der Ungeist jener vergangenen Zeit klingt noch immer nach, wenn Sergio Ermotti beteuert, in Frankreich «zu keinem Zeitpunkt Schweizer Recht verletzt» zu haben.

Der Aussage steht nun aber eine Aussage von Axel Weber im gleichen BLICK-Interview zum Fall Frankreich entgegen: «Die Beweislage in der Akte zeigt keine eindeutige Schuld der UBS.»

Keine eindeutige Schuld?

Der deutsche Grundgesetzbürger, gross geworden in der öffentlichen Institution Bundesbank, geprägt von der deutschen Fähigkeit, Schuld einzugestehen, zieht immerhin in Erwägung, die UBS könnte französisches Recht verletzt haben.

Und in einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» bekannte Axel Weber sogar: «Wir vertrauen dem französischen Rechtssystem.»

Welch ein Segen, dieser Schweizer Deutsche – überbezahlt, aber nicht überschätzt!

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